: Deutsch-amerikanische Freunde
Annäherungsprozeß bei DaimlerChrysler: Deutsche sind gar nicht so humorlos und ernst, entdecken die Amerikaner – allerdings rauchen sie zu viel ■ Aus Auburn Hills Peter Tautfest
„Können Sie sich ein hinreißend schönes neues Auto vorstellen, das länger, breiter, schwerer und größer ist als seine Konkurrenten? Wir ja – den neuen Plymouth Belvedere.“ Die Werbung aus den 50er Jahren hängt im Büro von Susan McGraw in Auburn Hills, Michigan, und repräsentierte einmal die Design- und Marketingstrategie von Chrysler. Heute heißt sie: „German is Fun.“
Viel Deutsch hat McGraw seit der Fusion von Daimler und Chrysler noch nicht gelernt, aber sie nimmt einen Kurs. Sie ist leitende Managerin für „Change“, für den Wechsel überhaupt und dann noch für die Förderung und Entwicklung von Management und leitendem Personal. Sie hat ihr Büro in luftiger Höhe und überschaut einen langgestreckten Komplex aus Glas, Aluminium und braunem Sandstein, der eines der beiden Welthauptquartiere des „größten, besten und stärksten Transportunternehmens der Welt“ beherbergt, wie Abteilungsleiter John Hinkley von der Fertigungsanlage für die Dodge Viper sagt.
Das andere Hauptquartier steht in Stuttgart. MacGraw hatte gewisse Ängste und Vorurteile, als sie das erste Mal deutschen Counterparts begegnete, und war dann verblüfft: „Nach einem halben Tag, hatte ich das Gefühl, es geht.“ Die Deutschen seien offen, aufnahme- und hilfsbereit und kämen wie die Amerikaner direkt zu Sache. Und sie könnten Englisch. Ihr Kollege John Gutowsky, ebenfalls für „Change“ und dann noch für „Multikulturelle Führungsentwicklung“ zuständig, kam mit den gängigen Vorurteilen nach Stuttgart. Ernst seien die Deutschen und humorlos. „Entweder ist das Unfug, oder sie sind klasse Schauspieler.“
Nach den Unterschieden der Corporate Culture befragt, brauchen beide Zeit. „Hm. Zunächst sind die Deutschen uns sehr ähnlich“, findet McGraw. „Ähnlicher jedenfalls als die Japaner.“ „Und ähnlicher als die Mexikaner“, bestätigt Gutowsky, der vorher die Firmenbeziehungen zu mittelamerikanischen Werken unterhielt. „Allerdings rauchen die Deutschen viel, das ist für Amerikaner, die rauchfreie Environments gewöhnt sind, ein echtes Problem.“ Denn anders als in Deutschland, kann man in den USA kaum ein Fenster öffnen. Dafür läuft die Klimaanlage oft dermaßen auf Hochtouren, daß die Deutschen frieren.
„Das Lohn- und Gehaltssystem ist bei Chrysler anders als bei Mercedes“, sagt Gerhard Klewitz, der gerade aus Stuttgart zu Besuch ist: In Deutschland macht man innerhalb der Firma Karriere, entsprechend ist das Gehalt gestaffelt. In den USA hingegen ist der Marktwert eines Angestellten entscheidend. Wer abgeworben werden könnte, wird besser bezahlt, egal wo er in der Hierarchie steht und wie lange er dabei ist.
Auch die Herangehensweise an Probleme sind unterschiedlich. „Wir Amerikaner kommen zu unstrukturierten Sitzungen zusammen, die Deutschen haben immer eine Tagesordnung“, sagt McGraw. „Amerikaner lieben das Brainstorming und probieren lieber mal etwas aus. Deutsche haben immer ein Konzept“, bestätigt Jürgen Wittmann, deutscher PR-Mann für DaimlerChrysler, der samt Familie nach Auburn Hills übergesiedelt ist. Und außerdem: „Die Amerikaner haben eine Frauenquote, von der wir nur träumen können. Amerikanische Firmen sind viel familienfreundlicher.“ Damit meint Wittmann nicht die Arbeitsbefreiung im Krankheitsfall eines Familienmitglieds – da sind die Deutschen weiter als die Amerikaner –, sondern daß amerikanische Firmen bei Arbeitszeit- und Vertragsgestaltung Arbeitnehmerinnen stärker entgegenkommen als deutsche Unternehmer.
Was der Spiegel zum unterschiedlichen Arbeitseifer bei Daimler und Chrysler schrieb, haben alle gelesen. Bestätigen können sie es nicht – auch wenn McGraw erzählt, daß sie gestaunt habe, „wenn um 18 Uhr noch Anrufe aus Stuttgart kamen – da hatten die doch schon Mitternacht“. Aber in Amerika beginne der Arbeitstag eben früher.
Das Ziel des Prozesses, heißt es, sei eine „Weltfirma, bei der jeder Manager in jedem Land bei DaimlerChrysler eine Position übernehmen kann“. Also weniger die deutsch-amerikanische Integration als die in globale Prozesse. Deshalb werde man auch auf Deutschkenntnisse achten, so McGraw, aber entscheidend werde das nie sein.
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