piwik no script img

Ein Familienmensch mit Sinn für Schokoriegel

■ Das Diepgen des Tages, eine Auszeichnung für Berliner, die sich durch besondere Schlichtheit hervorgetan haben: Erster Träger der Auszeichnung ist ihr Namensgeber: Eberhard Diepgen

Die Startnummer 1 dieser Kolumne gehört, schon aus Gründen der Fairness, ihrem Namensgeber: Eberhard Diepgen.

Mitten im Berliner Filz sitzt der Jurist und macht auf integer. Seit 1984 ist er Regierender Bürgermeister Berlins, unterbrochen nur von einer zweijährigen rot-grünen Babypause 1989–1991. Von Walter Momper, der damals für ihn einsprang, lernte Diepgen, dass man politisch vor allem in der Nähe der Fernsehkameras zu stehen hat. Das hat er sich gemerkt und auch Joseph Fischers medienwirksame Joggerei adaptiert.

Unbedingt möchte Diepgen modern erscheinen, muss aber, um die alte Kundschaft nicht zu verprellen, auch bodenständig-dumpf erscheinen. Aus diesem Spagat entsteht viel unfreiwillige Komik, mit der Diepgen sogar selbst im Internet hausieren geht. Das ist freundlich, denn www.diepgen.de bringt eine ganz besondere Sorte Spaß ins Haus: „Es stimmt schon, die besten Ideen kommen beim Laufen“, verrät das elektronische Diepgen. Welche Ideen? Wenn Diepgen für eines Ansehen genießt, dann dafür, dass er noch nie eine einzige Idee hatte – es sei denn, man hielte das Greifen nach Strohhalmen für eine Idee. „Olympia 2000“, gargelte es einst aus Diepgen heraus, daran klammerte er sich, doch nicht einmal daraus wurde etwas.

In der Rubrik „top secret“ erfährt man: „Eberhard Diepgen ist nicht nur Politiker. Er ist vor allen Dingen auch Familienmensch. Er ist sozial sehr engagiert – z. B. ist er Kuratoriumsmitglied der Deutschen Rheumaliga. Seine Lieblingssendung im Fernsehen ist 'Akte X‘, seine Schwächen sind Rinderrouladen, Schokoriegel und hausgemachtes Apfelmus.“ So hört sich das an, wenn ein Flachsack unbedingt Sympath sein möchte.

Es gibt aber auch Berlinerinnen und Berliner, denen das gefällt. Für die gibt es das „Diepgen-Forum“, die lustigste Abteilung der digitalen Diepgenwelt.

Eine Janina zum Beispiel „möchte später auch mal Mutter werden“ und „fürchtet sich ganz schrecklich, dass die sittliche Substanz unseres Volkes zerstört wird durch Game-Shows und dass dann diese Demokratie von innen heraus abstirbt, wie die Weimarer Republik einst verendete ...“ Janinas zart gehauchte Konsequenz: „EBI! Nur ihn kann ich wählen!“ Hoffentlich weiß die junge Frau, wie man ein Kreuz macht.

Man sieht: Diepgen ist zu einer öffentlichen Plage geworden. Er kann, wenn überhaupt, nur stationär resozialisiert werden. Er gehört in eine Zelle – am besten in die seines zweieiigen Zwillings Dieter Kunzelmann, wo sich die beiden Elder Blödmen gegenseitig neutralisieren könnten.

Molly Bluhm

wird fortgesetzt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen