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„Männer wollen alles bei einem Bier regeln“

■ Ein Unternehmen brummt am besten, wenn die Führung so heterogen ist wie die Belegschaft. Das versucht die Gender-Trainerin Brigitta Kreß PersonalchefInnen in ihren Seminaren beizubringen

Diplomsoziologin Brigitta Kreß leitet „Gender Trainings“: Männer sollen einen Blick für die Familie entwickeln, Frauen sich mehr auf die Karriere konzentrieren können. Ihre Zielgruppe: PersonalchefInnen.

taz: Nur fünf Prozent der Frauen in Führungspositionen sehen Kinder als Karrierehindernis. Sind Ihre Kurse überflüssig?

Brigitta Kreß: Nein, diese Frauen haben so viel Geld, dass sie sich eine gute Tagesmutter besorgen können. Aber Frauen, die noch nicht in diesen Positionen sind, müssen bei der Kinderbetreuung improvisieren. Das ist eine Doppelbelastung und damit ein Karrierehindernis.

Welche Vorbehalte haben die Personalchefs, mit denen Sie zu tun haben?

Sie glauben, sie müssten sich in geschäftlichen Verhandlungen mit Frauen anders verhalten als mit ihresgleichen. Sie ziehen aber lieber ihren alten Männerstiefel durch, wollen etwa vieles beim abendlichen Bier regeln wie bisher. Es ist gar nicht böse gemeint, es ist ungewohnt und unbequem.

Mit Frauen Bier trinken ist unbequem?

Ja, im Geschäftsleben schon. Man kommt ins Gerede, wenn man mit dem anderen Geschlecht ausgeht. Es müsste dafür eine neue Form geben, die gesellschaftlich anerkannt ist.

Personalchefs beklagen, dass sich zu wenig Frauen auf Führungspositionen bewerben. Sind Frauen zu schüchtern?

Nicht Schüchternheit ist der Grund für die Zurückhaltung, sondern Klugheit! Wenn Frauen in Führungspositionen gehen, dann stoßen sie auf eine Arbeitskultur, die so aussieht: Ein 14-Stunden-Tag, der Loyalität demonstrieren soll. Das halte ich zwar für unlogisch, aber das sind in der männlichen Arbeitswelt die Zeichen für berufliches Engagement. Ziel meiner Kurse ist deshalb, dass auch die Männer sich verändern und flexibler werden.

Warum sollte ein Mann sich freiwillig für solche Veränderungen interessieren ?

Weil der Arbeitsmarkt internationaler wird. Das heißt, die Belegschaften, über die Führungskräfte entscheiden, sind nicht mehr überwiegend männlich, weiß und im mittleren Alter. Um die Fähigkeiten der heterogener gewordenen Gruppen optimal nutzen zu können, sollten auch die Führungskräfte prozentual die Belegschaft spiegeln. Würde das eingehalten, dann hätten wir schon 52 Prozent Frauen an der Spitze.

Das Ergebnis wäre, dass Männer zurückstecken. Das scheint nicht sehr attraktiv zu sein.

Das wird aber immer attraktiver. Denn Männer, die Verantwortung in der Familienarbeit zeigen, beweisen generell ein höheres Maß an Verantwortung. Manche Unternehmen in den USA stellen nur Führungskräfte ein, die ein Jahr Familienarbeit oder Pflege nachweisen können. Soziale Kompetenz ist dort ein Karrierevorteil.

Lernen ihre Kursteilnehmer auch etwas über ihr Verhältnis zu Familie und Kindern?

Oft beschäftigen sie sich zum ersten Mal mit der Frage, was ihnen eigentlich an ihren Kindern liegt. Und dann werden sie traurig darüber, was sie an Zeit und an Entwicklung schon verloren haben. Das kommt oft erst, wenn sie schon Großväter sind und dann sehen, was sie versäumt haben.

Interview: Heide Oestreich

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