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Chemischer Großeinsatz

■ Dow Chemical und Union Carbide fusionieren neben ihren Geschäften auch eine lange Liste von Skandalen

New York (rtr) – Mit Dow Chemical und Union Carbide wollen zwei US-Chemiekonzerne mit bewegter Vergangenheit fusionieren. Dow war ein Produzent des im Vietnamkrieg eingesetzten hochgiftigen Entlaubungsmittels Agent Orange. Union Carbide war Mitbetreiber eines Chemiewerkes im indischen Bhopal, wo 1984 6.500 Menschen starben. Beide Konzerne standen auch wegen gesundheitsschädigender Brustimplantate mehrmals vor Gericht.

Am Mittwochabend hatten die beiden Unternehmen bekannt gegeben, sie wollten zum zweitgrößten Chemiekonzern der Welt nach DuPont fusionieren. In der Führungsetage treffen sich auch alte Bekannte. „Wir kennen uns schon seit 20 Jahren“, sagten die Chefs der Konzerne. Bereits im November habe Dow-Chef William Stavropoulos seinem Kollegen bei Union Carbide, William Joyce, die Firmenehe vorgeschlagen. Sie hätten darüber diskutiert, wie sie den Unternehmenswert für die Aktionäre steigern könnten.

Dow Chemical und Union Carbide sind in den USA mit populären Markennamen wie „Ziploc“-Frischhaltebeuteln oder „Eveready“-Batterien berühmt geworden. Noch bekannter sind sie allerdings wegen negativer Schlagzeilen. Dow Chemical avancierte in den sechziger Jahren wegen der Produktion von Agent Orange zum Klassenfeind der US-Friedensbewegung. Dow sei der „Inbegriff des militärisch-industriellen Komplexes“ gewesen, sagen Aktivisten heute. Von 1962 bis 1971 versprühte das US-Militär über Vietnam mehr als 86 Millionen Liter des Entlaubungsmittels. 1984 zahlte Dow mit den anderen Produzenten von Agent Orange 180 Millionen Dollar an US-Kriegsveteranen, die wegen Gesundheitsschäden geklagt hatten.

Über seine Tochter Dow Corning mußte der Konzern Schadenersatz in Milliardenhöhe für gesundheitsschädigende Brustimplantate bei 176.000 Frauen zahlen. Auch Union Carbide bekam Probleme mit Brustimplantaten, für die es das Silikon geliefert hatte. Auch Verbindungen zu Versuchlabors der US-Atomindustrie schadeten dem Image. Der für das Unternehmen schwerwiegendste Vorfall war jedoch die Giftkatastrophe im indischen Bhopal. Union Carbide hielt 51 Prozent an dem Pestizidwerk, in dem bei einer Tankexplosion fünf Tonnen hochgiftiges Methyl-Isocyanat-Gas freigesetzt wurden. 6.500 Menschen starben, 20.000 wurden verletzt. Fünf Jahre später zahlte Union Carbide 470 Millionen Dollar Schadensersatz.

Durch die Fusion entsteht ein Chemieriese mit einem Jahresumsatz von über 24 Milliarden Dollar und rund 35 Milliarden Dollar Börsenwert. Der fusionierte Konzern soll 49.000 Mitarbeiter in 168 Ländern beschäftigen.

Dow produzierte Agent Orange für den Vietnamkrieg, Union Carbide betrieb das explodierte Werk im indischen Bhopal

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