■ Das Diepgen des Tages: Günter Biere
„Der Berliner des Monats: Natürlich Kaufhof-Chef Günter Biere“, hieß es gestern in unserer Lieblings-Irrsinnigen-Zeitung B.Z. „Die neue große Aktion von B.Z. und Radio 94,3 r.s.2: Der Berliner des Monats. Ausgezeichnet werden Menschen, die sich besonders um unsere Stadt verdient gemacht haben. Wer könnte da im Augenblick einen besseren Preisträger abgeben als Kaufhof-Chef Günter Biere, 54. Der Kämpfer für den Sonntagsverkauf ist Berliner des Monats August 1999.“ Die Auszeichnung, die einem öffentlichen Tortenbewurf erfreulich nahe kommt, hat keinen Falschen getroffen. „Das ist eine große Ehre für mich“, sagte der Kaufhof-Chef nach der Ehrung. Wie ein so angemessen Geehrter aussieht, zeigt das B.Z.-Foto: Ein feixender Mann mit Blumen in der Hand hat sich einen Herrenreiterbart ins Gesicht gehängt, der ihm Visitenkarten spart: Ich heiße Biere und bin asozial.
Bieres Ruhm basiert auf der Tatsache, dass Dummheit bevorzugt in großen Haufen vorkommt: „64 Prozent der B.Z.-Leser und r.s.2-Hörer stimmten für die sonntägliche Ladenöffnung in der Hauptstadt.“ Um zu wissen, dass in Berlin Zigtausende herumkrauchen, deren Leben eine immerwährende Sonnenfinsternis ist, hätte es diese Umfrage nicht gebraucht.
Schon andere haben den Menschentyp besungen, der nur existiert, wenn er käuft – unter anderem Henryk M. Broder, Matthias Matussek und Helmut Markworth kämpften für ihr Menschenrecht, rund um die Uhr bedient zu werden, und zwar zacko. Günter Biere geht noch weiter bei der Zurichtung der Welt. Warum nur sechs Tage in der Woche Profit einstreichen, wenn man sieben Tage lang Geld zählen kann? Irgendwo muss die Lebensfreude schließlich herkommen.
Diesem Mann und denen, für die er steht, die Welt kampflos zu überlassen, wäre unerleuchtet, feige und unverzeihlich. Bis Bieres Plan zur Maximierung der Trostlosigkeit verhindert ist, kann man sich mit seinem Namen trösten: Wenn die B.Z. über Günter Biere schreibt, „ein Biere ruht sich nicht lange auf seinen Lorbeeren aus“, klingt auch diese ölige Lobhudelei nach sortenreiner Bosheit.
Molly Bluhm
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