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Doppelte Strafe für Bremer Kurden?

■ Asylfolgeantrag von Garbi Y. wurde abgelehnt / Seine Clique kämpft jetzt per Demonstration gegen die drohende Abschiebung

„Bisher habe ich sowas nur für Parties gemacht,“ sagt die 16jährige Lynn ernst. Nach Party ist ihr aber gerade nicht zu Mute. Sie rührt die Werbetrommel für eine ihr wichtigere Sache.

Lynn klebt Plakate und verteilt Flugblätter, denn ein Freund von ihr, der 18jährige Kurde Garbi Y., sitzt in Hameln in Abschiebehaft (die taz berichtete). Sie sammelt Unterschriften und hat sogar die Demo, die heute am Ziegenmarkt steigt, mitorganisiert – ihre erste.

Die Schülerin gehört zu einer bunten Truppe: Kurden, Deutsche, Tamilen, sie selbst kommt aus Kamerun. Die knapp ein Dutzend Köpfe starke multinationale Clique ist in die Politik eingestiegen, weil sie die Abschiebung von Y. in die Türkei verhindern will.

„Er ist doch hier aufgewachsen,“ sagt Garbis Bruder Hakki. „Da kennt er keinen, hat keine Familie und die Polizei behandelt ihn wie Dreck, weil er Kurde ist. Vielleicht muß er sogar zur Armee und dann auf seine eigenen Leute schießen.“

Hakki kam zusammen mit Garbi Y. vor acht Jahren zum Onkel nach Lilienthal. Die Eltern hatten die jungen Kurden aus Angst vor der Verfolgung durch das türkische Militär nach Deutschland geschickt. Garbi war damals zehn.

In Lilienthal gingen die Brüder zur Hauptschule, und dort traf sich auch die Clique, die nun für Garbi kämpft. Dort hat Garbi Y. aber auch gelegentlich „Scheiße gebaut“, wie es die Jugendlichen ausdrücken. Er fuhr ohne Führerschein mit dem Auto des Onkels und raubte mindestens einmal mit einem Kumpel einen Mitschüler aus. Deswegen ist er gerade vom Jugendrichter zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.

Aber dass Garbi deshalb abgeschoben werden soll, leuchtet den Kids nicht ein. „Seit zwei Jahren hat er nichts mehr gemacht außer zu arbeiten,“ sagt Lynn. „Mann, es gibt doch auch Deutsche, die mal Scheiße bauen. Schickt man die gleich in die Türkei?“

Rein rechtlich ist Garbi Y. nicht wegen des Raubes ausreisepflichtig, sondern weil sein Asylantrag abgelehnt wurde. Die Clique fürchtet, dass seine Jugendsünden bei dem Urteil eine wesentliche Rolle gespielt haben - und bei der Bewertung seines Asylfolgeantrages, der gestern abgelehnt wurde.

Viraj Mendis vom Internationalen Menschenrechtsverein unterstützt die Kids bei der Kampagne und sagt: „Eigentlich sollte das sauber getrennt werden, die Praxis ist aber oft anders. Wer hier auffällt, scheint es nicht ernst zu meinen, denken viele Richter.“ Nun drohe Garbi als Nichtdeutscher eine doppelte Bestrafung. „Zusätzlich zur Bewährung kommt jetzt die Abschiebung.“

Garbis Anwältin will beim Verwaltungsgericht gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags Klage einreichen. Eine aufschiebende Wirkung hat das aber nicht, Garbi Y. kann jetzt theoretisch jederzeit abgeschoben werden. Deshalb versucht sie außerdem eine einstweilige Verfügung zu erwirken, um den Vollzug der Abschiebung auszusetzen. Über Garbi Y. gab es viele Berichte in den Medien und im Internet, auch die türkischen Sicherheitsbehörden kennen ihn nun. Damit sei er besonders gefährdet – ein Abschiebehindernis.

Lars Reppesgaard

„Garbis Freundinnen und Freunde“ rufen heute zu einer Demonstration am Ziegenmarkt auf, Beginn: 13.00 Uhr

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