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Freiflugschein zur Venus

Zeigt her eure Schultern, zeigt her eure Knie: Die Wiener Kabarettistinnen Valerie Bolzano und Nadja Maleh mit ihrem Nummernprogramm „Space Girls – Erotikinvasion aus dem All“ im BKA-Luftschloss  ■   Von Axel Schock

Nach Österreich ist's ein langer Weg. Bis sich bis dahin mal eine Pointe herumgesprochen hat, kann viel Zeit vergehen. Jetzt kommen diese Pointen alle wieder zurück, den beiden jungen Wienerinnen Valerie Bolzano und Nadja Maleh mit ihrem erstmaligen Auftritt in Berlin sei Dank. Die Österreicher sollen sich ja angeblich darüber kugeln.

Hierzulande haben die beiden aber einen ungleich schwereren Stand. Obwohl sie sich für ihr inzwischen zweites Bühnenprogramm „Space Girls“ eine so schöne Rahmenhandlung ausgedacht haben: im Freiflug zum Liebesplaneten Venus. Da darf man dann das hübsche Flokati-Jäckchen sinken lassen oder gleich abstreifen, die nackten Schultern zeigen und die vielen erotischen Reize spielen lassen. Aber Bolzano & Maleh werden niemals schlüpfrig, auch nicht zotig, und schon gar nicht haben sie eine tiefere oder höhere Form der Ironie gefunden.

Ihre „Erotikinvasion aus dem All“ erzählt von dem, was zu diesem Thema in den letzten Jahren alles in irgendeiner Form schon mal da war: Dolly-Buster-Lispeln, 0190er-Telefonnummern-Parodien, Sketche über obszöne Telefonstöhner.

Und Dr. Beate Buhse hält ein Erotik-Esoterik-Seminar und will Roswitha bei ihren unschönen Orgasmusstörungen helfen. Valerie Bolzano und Nadja Maleh ackern schwer, und offensichtlich sitzt der österreichische Humor auf genauso langen Leitungen wie der Schweizer: Es braucht halt alles so seine Zeit. Zu viel Zeit allerdings für schlichte Pointen. Manchmal entspinnen sie schöne, irrwitzige Geschichten, etwa ihre Theorie vom Hausfrauengeschlecht, das vor fünf Milliarden Jahren entstand und die Erde heimsuchte.

Oder ihr kleines absurdes Schauspiel, das sich als eine Art Tschechow-Existenzialisten-Mix entpuppt. Aber solche Ideen werden zwar lang ausgebreitet (Regie: Andy Hallwaxx), aber nie bis zum Ende ausgereizt. Irgendwann wusste man wohl nicht weiter und schnappte sich einfach mal das nächste naheliegende Thema.

Was bleibt, sind Kalauer wie jene von der „Urmutter Teresa Orlowski“ oder einer Fahrt mit der „Venusmuschel die Viagra-Fälle“ hinunter. Es geht um Sex, aber man wird weder wirklich vulgär noch wirklich geistreich. Und ganz sicherlich entgegen ihrer Absicht wirken Bolzano & Maleh plötzlich unglaublich bieder und pubertär. Denn bei solch braven Pennälerscherzen dürfte man jenseits der 16 einfach keine roten Ohren mehr bekommen.

Dabei sind die beiden jungen Comedy-Damen weder darstellerisch unbegabt noch uncharmant; nur ihr Material will einfach nicht richtig zünden. Wie denn auch? Zu eindimensional werden die abgelutschten Themen noch einmal präsentiert, wo zumindest eine neue Sichtweise angebracht und von Nöten wäre, sei sie nun selbstironisch, postfeministisch, trashig oder wenigstens so schaumgebremst frauenfeindlich wie bei Désirée Nick. So aber schaut dieser Kabarettnachwuchs reichlich alt aus.

Irgendwann ist dann einfach mal Schluss, und die Raumfähre gen Venus stürzt einfach ab. Auch die Orgasmustherapie hat keinen Erfolg gezeitigt, Roswitha wird mit ihren Orgasmusstörungen alt werden müssen (schnief!). Und die beiden Künstlerinnen, selbstversunken ganz für sich agierend, haben bis dahin keinen heißen Draht zum Publikum und damit leider auch keine wirkliche Bodenhaftung gefunden.

So schwebt das Raumschiff irgendwo im All, sehr orientierungslos und ohne rechte Führung: Die Erotikinvasion will einfach nicht ankommen. Und Österreich ist weit. Ganz weit weg.

Bis 15. 8. sowie 17. – 19., 21. –29. 8., 20 Uhr, Luftschloss auf dem Schlossplatz Unter den Linden. Am 21. u. 28. 8. im BKA am Mehringdamm. Als einmalige Sonderveranstaltung: Josef Hader trifft Bolzano & Maleh, 16. 8., 20 Uhr, Luftschloss

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