: Angestellten-Verhältnisse im Bordell
■ Bremer Prostituierte begrüßen geplante Berufs-Anerkennung / Jetzt fehlt nur noch verändertes Strafrecht für geregelte Jobs
Das älteste Gewerbe der Welt ist eigentlich gar keins, sagt Monika Heitmann vom Prostituiertenverband Nitribitt in Bremen: „Aber es wäre schön, wenn Prostitution endlich als richtiges Gewerbe anerkannt wird.“ Nach einem Gesetzentwurf der Familienministerien Christine Bergmann (SPD) könnte das bald Wirklichkeit werden.
„Das war einfach überfällig“, sagen die Frauen von Nitribitt, die Prostituierte in Bremen betreuen und Rechtshilfe bieten. Vom neuen Gesetz erhoffen sie sich, dass sie in Zukunft ihr Honorar vor Gericht einklagen können. Und sich möglicherweise auch offiziell krankenversichern können. Auch bei Bremens Sozial-Senatorin Hilde Adolf (SPD) wird Bergmanns Vorstoß „sehr begrüßt“. Mit großem Interesse würden die Pläne der Familienministerin verfolgt, sagte Pressesprecher Jörg Henschen. Es sei eine „grenzenlose Heuchelei“ Prostititution als sittenwidrig zu behandeln.
Wichtig für die Mitarbeiterinnen von Nitribitt ist vor allem, ob der Strafrechts-Paragraph wegfallen wird. Der verbietet momentan alles, was Prostitution fördern könnte. Angestellten-Verhältnisse im Bordell waren damit bisher ausgeschlossen.
Für die Nitribitt-Frauen ist aber genau das der Knackpunkt. „Faktisch arbeiten viele Prostituierte wie Angestellte – aber ohne Absicherung“, erklärt Monika Heitmann: Im Club gebe es feste Arbeitszeiten, Kleidervorschriften. Aber im Krankheitsfall werde nichts bezahlt. Klare Angestellten-Verträge dagegen würden die Frauen rechtlich absichern – Zuhälter würden ihre Macht verlieren. Ursprünglich sollte der Strafrechtsparagraph die Frauen vor Ausbeutung schützen. Doch der Schutz vor Gewalt und Nötigung sei bereits durch andere Gesetze gegeben, sagt die Nitribitt-Mitarbeiterin.
Zwischen 1.500 und 2.000 Prostituierte soll es im Land Bremen geben, schätzt man bei Nitribitt. Die alte Hansestadt gilt bei Prostituierten als relativ liberal. Die Zwangsuntersuchung – „Bockschein“ genannt – ist schon lange abgeschafft. Bis 1986 mußten sich Prostituierte alle 14 Tage beim Gesundheitsamt untersuchen lassen – das regelt ein Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten aus den 50er Jahren. Diese Untersuchung wird in Bremen nicht mehr verlangt. Statt dessen „appelliert man an das Gesundheitsbewusstsein der Frauen“, sich freiwillig untersuchen zu lassen. Die Frauen können zum Arzt ihrer Wahl gehen. Nur so lasse sich ein Vertrauensverhältnis herstellen, um die Frauen zu erreichen, die Hilfe nötig hätten, heißt es im Bremer Gesundheitsamt.
Gerüchte über härtere Vorgehensweisen in Bremerhaven hielten sich dagegen hartnäckig. Erst 1993 wurde der Bockschein dort abgeschafft. In der Seestadt sollen Prostituierte aber schon mal mit dem Bulli zur Untersuchung ins Gesundheitsamt gekarrt worden sein – hieß es bislang. Die Freiwilligkeit der Untersuchungen dort wurde angezweifelt. Aufgrund von taz-Recherchen wollen sich jetzt Vertreterinnen von Nitribitt und vom Bremerhavener Gesundheitsamt zusammensetzen – um alte Streitigkeiten aus dem Weg zu räumen.
Denn in der Seestadt Bremerhaven hätte sich mittlerweile viel verändert, versichert Laura Steichele, Ärztin im Bremerhavener Gesundheitsamt. Die Untersuchungen sollen auch hier anonym und freiwillig sein. Vor zehn Jahren noch, erzählt Steichele, „wurde hier anders mit den Frauen umgegangen – aber das ist Geschichte.“ pipe
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