Eine Überdosis Böhse Onkelz

■  In der Diskothek Halford in Weißensee werden bei „Böhse Onkelz“-Partys auch rechtsextreme und indizierte Songs der Band aufgelegt. Disko-Mitarbeiter dulden selbst pöbelnde NPDler im Saal

„Kleine Kinder hab ich gern zerstückelt und in Scheiben warmes Fleisch, eagl von wem, ich will's mit allen treiben“, dröhnt der Song „Der nette Mann“ von den Böhsen Onkelz aus den Boxen. Freitagabend, 23 Uhr. Die Diskothek Halford in der Berliner Allee in Weißensee ist bereits gut gefüllt. Das Publikum erinnert an die Hoch-Zeiten des Heavy Metals. Schulterlange Haare, Lederwesten, Harley-Davidson-T-Shirts und Motorradstiefel dominieren. Keiner ist unter 30. Ein paar von ihnen sind Glatzen. Mit ihren „Skinhead-Stolz“-T-Shirts, die einen abgewandelten Reichskriegsadler und eine Faust zeigen, wirken sie verunsichert und fehl am Platz.

Das Halford veranstaltet seit ein paar Monaten regelmäßig „Böhse-Onkelz-Rammstein-Partys“. Während sich Rammstein durch Düsterrock in die internationalen Hitparaden katapultierten, machten sich die Onkelz zunächst mit rechtsradikalen Texten einen Namen. Mit Songs wie „Deutschland den Deutschen“ und „Türken raus“ erreichten sie Anfang der 80er eine große Fangemeinde unter rechtsradikalen Jugendlichen. Mehrere Alben der Skinheadband wurden auf den Index gesetzt.

Ende der 80er-Jahre distanzierte sich die Band von diesen Songs. Mit selbst organisierten „Rock gegen Rechts“-Konzerten versuchten sie nun ihr Image aufzupolieren. Dennoch galten die Onkelz bis Mitte der 90er als Synonym für rechtsradikale Bands. Während sie von Metal-Fanzines heute als „deutsche Metalband Nummer 1“ gefeiert werden und beim Musik-TV Viva in den Charts rangieren, weigern sich die Schallplattenkette WOM und Karstadt weiterhin, wegen der Symbolkraft des Namens Onkelz-Platten in die Regale zu nehmen.

Auch im Halford macht man keinen Unterschied zwischen alten und neuen Songs. „Hier sind neue fromme Lieder von den Engeln in zivil“, kündigt der DJ ein Stück aus der gewandelten Phase der Band an. Kurz darauf legt er das 1984 erschienene Debütalbum der Band „Der nette Mann“ auf. 1986 wurde diese Platte wegen „pornografischer, nationalsozialistischer und gewalttätiger Tendenzen“ indiziert. Doch hier scheint das niemanden zu interessieren. Nationalistische Songs wie „Deutschland“ mit der Textzeile „Den Stolz, deutsch zu sein, wollen sie dir nehmen, das Land in den Dreck ziehen, die Fahne verhöhnen“ finden zwar kaum Anklang beim Publikum, aber es stört sich auch keiner daran. Langsam leert sich die Tanzfläche. Enthusiatisch hüpfen nur noch sechs echte Fans zum Song „Hier sind die Onkelz“. „Eine Überdosis Onkelz und du musst in Therapie“, grölen sie mit.

Ein Skinhead und ein NPDler tauchen auf. Letzterer trägt auf dem Oberam eine gut sichtbare Hakenkreuztätowierung. „Die Onkelz sind 'ne Scheißzeckenband“, pöbelt er rum. Der Skinhead stimmt ihm zu: „Früher sind die noch gut gewesen. Jetzt jagen sie nur noch den Kommerz.“

„Man muss sich mit deutscher Kultur beschäftigen, um die Onkelz zu verstehen“, poltert der NPDler los. Und nur deutsche Kinder würden nach ihrer Herkunft fragen, „Kanakenkinder sind zu dumm dazu.“ Zudem sei der Holocaust an sechs Millionen Juden nicht bewiesen. Höchstens drei Millionen seien umgekommen, was aber, so der Nazi, immer noch „hoch 10“ zu wenig gewesen seien. Ein Mitarbeiter des Halford kommt hinzu und fragt den ihm namentlich bekannten NPDler, ob es Stress gebe. Er habe schließlich schon öfter Schlägereien begonnen. „Wir haben schon ein paar Leute hochgeschickt“, verkündet der Mitarbeiter, gibt dem Nazi eine Zigarette und lässt die Umstehenden mit den erneuten Ausfällen des Nazis allein.

Maurice Schuhmann