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„Service statt Lyrik“

■ Journalistische Minimalstandards: Der von Chefredakteur Rainer Thide formatierte „Prinz“-Neuauftritt im taz-Test

„Hochwertiges Papier, mehr Seiten, modernes Lay-out, günstiger Preis“, lockt Prinz-Chefredakteur Rainer Thide die von ihm anvisierten Leser im Vorspann seines Editorials „Der neue Prinz“. Pünktlich ist am gestrigen Mittwoch die neue Ausgabe der bundesweit erscheinenden Stadtzeitschrift aus dem Poßmoorweg in den Handel gekommen, die das in den letzten acht Monaten entwickelte „Relaunch“-Konzept erstmals präsentiert. „Prinz wird noch besser“, versprach die August-Ausgabe – was der seit November amtierende ehemalige Mountainbike-Macher und Busenfreund des Hustler-Chefredakteurs damit meinte, lässt sich nun nachlesen.

Vorausgegangen ist dem Relaunch ein monatelanger „Redaktionskrieg“ (Bild-Zeitung). Von schlechter Stimmung, Kündigungen und Kündigungsgerüchten wurde an den Tresen dieser Stadt gemunkelt – bis die Auseinandersetzungen am 26. Juli zwischen Thide und Restredaktion in einem „leidlich offenen, zumindest mit Vorsatz öffentlich gemachten Brief“ gipfelte (Branchenblatt Kressreport). In ihm wandten sich elf namentlich unterzeichnende Mitglieder der Hamburger Redaktion an Verleger Thomas Ganske und Prinz-Geschäftsführer Michael Kleinjohann.

Die Redakteure fürchten, das „kommende Relaunch wird das letzte sein, das Prinz erlebt“, und distanzieren sich „von dem Relaunch und seinen Folgen“. Trendsportler Thide wurde in dem Brief vorgeworfen, er gebe angesichts der wachsenden kostenlosen Konkurrenz jegliche Eigenständigkeit im Stadtzeitschriften-Sektor auf. Ideen- und zusammenhangslos stückele er sein Konzept aus der Prinz-Vergangenheit, der Tempo-Konkursmasse und Formaten der Konkurrenz zusammen und schraube journalistische Minimalstandards noch weiter herunter – das alles, zudem, hinter dem Rücken der Redaktion. Textproben, Heftkritik und einen „freundschaftlichen Rat“ ließ er sich, weiß Der Kontakter zu berichten, lieber vom Sexblatt Hustler zustellen.

Diese Kritik ficht Thide nicht sonderlich an. Der weiß nämlich nicht nur „Fischspezialitäten in einem verschwiegenen Restaurant“ zu genießen, sondern auch die Rückendeckung seines Verlegers Ganske, so der Kressreport.

Prinz-Leser sind jung, erfolgreich, trendy gekleidet und denken erfolgreich“, verrät Thide im Editorial und berruft sich auf die größte Marktforschung in der Geschichte des Blatts. Wenn sich das Konsumverhalten der Prinz-Leser, laut Thide, seit den frühen 80ern maßgeblich verändert habe, lässt das allerdings an der genauen Länge der „zehnjährigen Geschichte von Prinz“ zweifeln. Oder der Altersschnitt der Prinz-Leserschaft müsste dem des 43-Jährigen entsprechen.

Genauso unredlich wirkt dabei der in verschiedenen Städten auf unterschiedlichen Niveaus fortgesetzte Preiskrieg, mit dem Prinz schon einmal in den frühen 90ern die alternative Konkurrenz vom Markt zu drücken versuchte. Nachdem die Hamburger August-Ausgabe „nur 2.- DM“ kostete, wird die September-Ausgabe mit „Neu: nur 2 Mark“ beworben. Branchenkenner fürchten, diese „Sommeraktion“ könne unbegrenzt fortgesetzt werden.

Ob die unbesetzte Redaktion am Montag damit im Zusammenhang steht, ist unklar. Wenn all das dennoch für eine Linie steht, bestätigt sie sich bei einem ersten Blättern durch das auch grafisch noch weiter auf das Prinz-typische „Testsystem“ formatierte Heft. Das sieht nämlich aus wie „für Fans von:“ Hamburg Pur, Cinema und Intro – allerdings vor deren Relaunches.

Tobias Nagl

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