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Spaziergänger werden gefilmt

Hessen will das Gesetz für Sicherheit und Ordnung verschärfen. Plätze und Straßen sollen mit Videokameras überwacht werden  ■   Aus Wiesbaden Klaus-Peter Klingelschmitt

Der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU), hat gestern den Entwurf der Regierungsparteien CDU und FDP zur Änderung des Hessischen Gesetzes für Sicherheit und Ordnung (HSOG) vorgestellt.

Bouffier sagte, das HSOG werde das Instrumentarium der Polizei zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung erheblich ausweiten: Verdachts- und ereignisunabhängige Polizeikontrollen (Schleierfahndung) ab März 2000 auch in Hessen; dazu die Einführung der Videoüberwachung des öffentlichen Raumes und eine exzessive Ausdehnung des sogenannten Unterbringungsgewahrsams. Bis zu sechs Tagen sollen potentielle Gewalttäter von der Polizei aufgegriffen und eingesperrt werden können; etwa vor Fußballspielen oder „Gedenktagen“ der rechten Szene.

Hinzu kommt, was Bouffier „Community policeing“ nannte. Städte und Landkreise müssen „Präventionsräte“ einrichten, die dann „auf die jeweilige Situation zugeschnittene geeignete Maßnahmen zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ konzipieren sollen.

Während sich der Minister Bouffier, der erst vor wenigen Tagen ein Ermittlungsverfahren gegen den Rechtsanwalt Bouffier wegen „Parteienverrat“ gegen die Zahlung einer Geldbuße von 8.000 Mark niederschlagen konnte, bei der Schleierfahndung auf Erfahrungen aus Baden-Württemberg stützen kann, betritt er bei der „Überwachung von öffentlichen Plätzen und Orten“ Neuland. Lediglich in der Stadt Leipzig und auf Sylt laufen dazu Modellversuche. Trotzdem ist sich Bouffier sicher, dass die noch zu erarbeitenden Ausführungsbestimmungen zu diesem HSOG-Teil einer Prüfung durch die Datenschützer standhalten werden. Schließlich soll „offen beobachtet“ werden; und nicht – wie verboten – verdeckt. Das Filmmaterial werde, falls keine Straftat darauf zu sehen sei, „maximal zwei Monate lang“ aufgehoben werden. Schulhöfe sollen auf Wunsch der Schulträger überwacht werden dürfen. Da musste Bouffier offensichtlich zurückrudern; Schulen sind nämlich kein öffentlicher Raum. Allerdings verstehe er die ganze Aufregung um die Videoüberwachung überhaupt nicht, sagte der Minister abschließend. In England würden Plätze und Straßen in allen großen Städten schon lange von Kameras überwacht. Die Schleierfahndung soll von der Polizei übrigens nur auf Flughäfen, Autobahnen, Europastraßen und großen Flüssen (Wasserschutzpolizei) durchgeführt werden dürfen. Der schlaue Mafioso bewegt sich also ab März 2000 in Hessen auf Bundes- und Kreisstraßen; und er meidet Bootsfahrten auf dem Main.

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