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Die Macht sei mit ihnen

■  Nach dem 1:0 gegen Teplice und dem Erreichen der Champions League hofft Borussia Dortmund nun, der Börsengang sei gesichert

Dortmund (taz) – Am späten Mittwochabend, lange nach Abpfiff des Champions-League-Qualifikationsspiels zwischen Borussia Dortmund und dem FK Teplice, schlenderten ein paar versprengte BVB-Fans durch den nördlichen Teil des Hauptbahnhofes, kaum einen Abschlag entfernt vom lokalen Multiplexkino. Ihr Gespräch rankte sich um die Frage, warum das einzige Tor der Begegnung durch Heiko Herrlich erst in der Schlussminute fiel, als ein rotköpfiger Außerirdischer um die Ecke bog, gefolgt von gesichtslosen Gestalten in Plastikrüstungen. „Das ist er!“, rief einer der Borussen-Anhänger, „Darth Verbir!“

Nun heißt Verbir mitnichten Darth (sondern Pavel), und er ist auch kein galaxienzerstörender Schuft, bloß ein bulliger Stürmer, der ganz spießig für die tschechische „Allianz“ wirbt, wenn er nicht gerade für Teplice Torchancen gegen den BVB vorbereitet (vier allein an diesem Abend). Aber diese kleine Episode zeigt doch, wie sehr man in Dortmund die kreuzbraven böhmischen Kicker als dunkle Bedrohung empfunden hatte. Immerhin gab es bei dieser Paarung nur einen, der etwas zu verlieren hatte – den BVB. Und dem war am Tag vor dem Spiel gleich zweimal demonstriert worden, wie leicht es ist, kurz vor dem Ziel zu scheitern: Erst vom Dortmunder Zehnkämpfer Frank Busemann, der bei der Leichtathletik-WM mit jammervollem Blick aus dem Stadion humpelte, dann vom Team des HSV, das im UI-Cup-Finale mit ungläubigen Gesichtern Elfmeter auf Elfmeter vergab.

So war die Erleichterung über den Sieg letztlich größer als der Ärger über die erneut schadhafte spielerische Leistung der Dortmunder Mannschaft – zumindest bei den Vertretern des Vereins. Schließlich bedeutet das Weiterkommen für den BVB mehr als das bloße Erreichen der Champions League nach fünfzehnmonatiger Abwesenheit, mehr sogar als das Sichern einer üppigen Einnahmequelle durch die nun feststehenden Gruppenspiele. Denn der europäische Fußballmarkt ist für die Borussia in erster Linie ein wichtiges Sprungbrett – und zwar auf den europäischen Wertpapiermarkt.

Der sonst so westfälisch reservierte Manager Michael Maier stellte eine Summe von „vielleicht 300 Millionen Mark“ in den freien Raum, die sich mit der Ausgabe von Anteilen einnehmen ließe, vorausgesetzt, man könne „den Aktionären eine Erfolgsstory verkaufen“. Die befindet sich seit Mittwoch nun in Druck, denn unter dem verwässerten Gruppenmodus der erweiterten Champions League müsste sich der BVB schon ausnehmend dumm anstellen, um früh auszuscheiden. So wird man wohl auch im Frühjahr noch zur Elite Europas zählen, und für genau diesen Zeitpunkt hat der Verein die Gründung einer Kapitalgesellschaft und den Gang an die Börse geplant.

„Wir müssen in Beine und Steine investieren“, pflegt Borussias Präsident Dr. Niebaum zu sagen. Nachdem in den letzten zwölf Monaten viele neue Beine in Dortmund aufliefen, wird der Kapitalerlös aus den Aktien demnach wohl vorrangig in Steine umgewandelt. Das Stadion, das Trainingsgelände, die Geschäftsstelle – alles soll noch ein bisschen größer und schöner werden. Davor aber haben die Juristen das Ja und Amen der einfachen Mitglieder gesetzt, die im November über die KG abstimmen sollen. Ob da eine Protestwahl droht? Denn die Fans sind weiter schlecht drauf und uneins: Sieben Minuten vor Ende des Spiels forderte die Osttribüne „Skibbe raus!“ und bekam dafür von der Südtribüne ein „Sitzplatzkanaken!“ zu hören (von eben jener Tribüne also, die an diesem Tag durchgehend bestuhlt war). „Das Publikum hier sehnt sich mal wieder nach einem schönen 3:0 oder 4:0“, fasste der vom Gekrampfe auf dem Platz sichtlich genervte Kollege eines Fachblattes die Stimmung zusammen. Zur Zeit würden viele Dortmunder eben lieber Tore als Aktien sehen.

Trotzdem gab es am Mittwoch einen rundum glücklichen Menschen im Westfalenstadion: Teplices Trainer Josef Pesice, der Michael Skibbe nach dem Abpfiff ausgiebig herzte. So „glücklich“ war er, gegen ein „großes Team Erfahrung zu sammeln“. Fast hätte er gesagt: „Die Macht sei mit euch.“ Uli Hesse-Lichtenberger

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