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Hausbesuche als Mittel der Politik    ■ Von Andreas Milk

„Bei uns“, wie man bei uns sagt, sind in einigen Tagen Kommunalwahlen. Das hat unter anderem zur Folge, dass samstägliche Einkäufe in der Innenstadt nicht mehr möglich sind ohne ein zwangsweises Entgegennehmen von ca. 200 Gramm Agitationsmaterial. Wenn es nur das wäre; eine Papierschlacht ließe sich noch irgendwie aushalten. Es reicht den Ratskandidaten auch noch nicht, in den Lokalblättern wehrlose Senioren zu umarmen oder Kindern Spielgeräte zu schenken, damit sie nicht drogenabhängig werden (die Kinder).

Nein – die Damen und Herren aus der politischen Zunft machen Hausbesuche. Immerhin sind sie so anständig, die Visite vorab über die Presse bekannt zu machen. Dies geschah Anfang der Woche: „Bürgermeister geht auf die Straße“, titelte die Westfälische Rundschau, vergaß aber zu ergänzen: „... und macht sich bei Ihnen breit, sofern Sie nicht unverzüglich die Polizei rufen“. Zugegeben, als er gestern bei mir war, der amtierende Bürgermeister, da ist er zwar nicht gleich in meine Wohnung gestürmt – einen Schimmer von Etikette hat er sich erfreulicherweise bewahrt. Aber würden Sie an meiner Stelle denn etwa nicht einen Menschen hereinbitten, der Ihnen eröffnet, er habe sich „die Füße platt gelatscht“ und müsse obendrein „dringend mal eine Stange Wasser in die Ecke stellen“? Eben! So sind sie, die Sozialdemokraten, immer gerade heraus und hemdsärmelig. Das Bad hat vielleicht ausgesehen!

Na, und die Grünen? Es hat sich noch keiner hier blicken lassen. Ist wohl besser so. Aus der Nachbarkommune wurde nämlich vor kurzem berichtet, der grüne Landesbauminister sei des Nachmittags zur besten Kaffeezeit über eine Familie hergefallen, weil er bzw. sein Ministerium den Bau des Familiendomizils finanziell gefördert hatte. Am Abend fehlten allerlei Wertgegenstände und eine Jutetasche. Drum Obacht, liebe Familien: So ergeht es einem, weil man sich einmal von den Grünen einwickeln lässt. (Und das Parken wird auch teurer.)

Also: Keine Subventionen fürs Eigenheim annehmen, dann gibt es auch bei Schlüsselfertigkeit keine unliebsamen Überraschungen. Apropos annehmen: Von der CDU habe ich nie etwas angenommen (abgesehen natürlich vom Schlimmsten, har, har – Verzeihung); trotzdem schellte es dieser Tage und eine christdemokratische Ratsbewerberin stand da. Sie nannte ihren Namen, murmelte einen Satz mit „... eh keinen Zweck“ und war wieder verschwunden. So ist das, wenn man einer Partei dient, die seit dem Krieg (und vorher schon) im Rathaus nix zu melden hatte und auf Bundesebene sogar gegen einen wie den Schröder verliert.

Sei's drum. Es existieren ja noch mehr aufregende Parteien, selbst in unserer Kleinstadt. Derzeit erwarte ich den Abgesandten der FDP. Sie kennen gewiss den Witz von der Ortsversammlung der Liberalen in einer Telefonzelle? Seh'n Sie, von wegen Witz, genau so und nicht anders läuft das bei uns. Nicht mal einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten haben die aufgetrieben! Aber irgendjemand von der FDP wird schon bei mir anklingeln. Und Klischee hin, Klischee her: Falls nicht stimmt, was ich so über die Brüder gehört habe, lass ich den Schampus halt für Silvester.

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