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Gandhis Spielverderber will gewinnen

Der westindische Kongress-Politiker Sharad Pawar verweigert Sonia Gandhi die Gefolgschaft. Damit reduziert er ihre ohnehin geringen Chancen auf einen Sieg bei den am Sonntag beginnenden Parlamentswahlen  ■   Aus Pune Rainer Hörig

Es scheint, als sei die halbe Stadt auf den Beinen. Autofahrer schimpfen über verstopfte oder gesperrte Straßen, Händler schließen ihre Läden, weil die Kunden ausbleiben. Wahlkampf in der westindischen Stadt Pune. Der Hoffnungsträger der Region lädt für den späten Nachmittag zur Kundgebung vor der alten Königsburg in der Stadtmitte. Das historische „Shaniwar Wada“ wird von behelmten Polizisten und fiebrig-nervösen Parteimitgliedern belagert, die riesige Blechmegafone installieren und überlebensgroße Pappbilder der Kandidaten aufstellen. Vor den Toren der Burg warten Hausfrauen, Kleinunternehmer, Slumbewohner und arbeitslose Jugendliche auf den Mann, der hier im Westen des Unionsstaats Maharashtra aufwuchs und sich nun anschickt, die Geschicke des ganzen Landes in die Hand zu nehmen.

Mit Sirenengeheul fährt eine Autokarawane vor. Leibwächter in grauen Safari-Anzügen, Maschinenpistolen vor der Brust, bilden ein Spalier zwischen Bühne und Publikum, bevor der Redner ans Mikrofon tritt. Sharad Pawar war zweimal Regierungschef von Maharashtra, bevor ihn seine Laufbahn nach Neu-Delhi führte. In seiner Rede bemüht er sich Emotionen zu wecken. Dennoch nur verhaltener Applaus. Die üblichen Politikerworte eben: Politische Stabilität, wirtschaftlichen Aufschwung und neue Arbeitsplätze, Förderung der sozial Schwachen verspricht der Kandidat. Nach einer Stunde ist alles vorüber. Pawar hastet zum nächsten Auftritt, einem von über zehn an diesem Tag. Innerhalb von drei Wochen will er jeden der 48 Wahlkreise in Maharashtra besuchen. Seine politische Zukunft steht auf dem Spiel, denn diesmal wird gleichzeitig mit den Wahlen zum Nationalparlament auch der Landtag neu besetzt.

In diesem Wahlkampf spielt Pawar den Schwarzen Peter. Die einen schimpfen ihn einen Verräter, andere fürchten ihn als skrupellosen Taktiker, niemand will ihm so recht trauen. Im Alter von 38 Jahren wurde er Regierungschef von Maharashtra, später stieg er in Neu-Delhi zum Verteidigungsminister und zum Oppositionsführer im Unterhaus auf. Der Sohn eines Großgrundbesitzers kontrolliert über Bauernkooperativen die Zuckerwirtschaft im Westen Maharashtras. In seiner Heimatstadt Baramati bei Pune ließ er Industrieparks, Hochschulen und neue Straßen bauen und schuf sich so eine treue Klientel.

Bis vor kurzem noch galt Pawar als einer der Hoffnungsträger in der verkrusteten Kongress-Partei. Als er jedoch im Mai vorschlug, statt der Parteivorsitzenden Sonia Gandhi einen anderen Kandidaten für das Amt des Premiers aufzustellen, warf man ihn kurzerhand hinaus. Mit seiner neugegründeten „Nationalistischen Kongress-Partei“ kämpft er nun an zwei Fronten, gegen alte Widersacher und ehemalige Freunde. Doch er gibt sich siegesgewiss: „In Maharashtra werden wir sicher gewinnen. Die Wähler sind von den Hindu-Parteien ebenso enttäuscht wie von der Sonia-Kongress-Partei.“ Mit dem Rauswurf des Lokalmatadors Pawar verlor der Kongress nicht nur zehn Stimmen im Nationalparlament, sondern brachte sich wahrscheinlich auch um den fast sicheren Sieg in Maharashtra. Unter indischem Mehrheitswahlrecht, das nur Direktkandidaten, aber keine Landeslisten kennt, führt eine Spaltung im Lager der Opposition fast zwangsläufig zum Sieg der Regierungspartei. Aber Pawar sonnt sich in seiner neuen Rolle als Parteichef. Ideologien und Ideale berühren den Vollblutpolitiker kaum, für ihn zählt allein die Macht: „Wenn ich die richtige Anzahl von Stimmen erhielte, würde ich das Amt des Premierministers sicher nicht ablehnen.“

Weil Sonia Gandhi ihm misstraute und seinen Aufstieg bremste, geht der Macchiavelli aus der Provinz nun seinen eigenen Weg. Er will und muss es allen recht machen, wie er im Interview verrät: „Wir versprechen eine bessere Regierung, eine korruptionsfreie Verwaltung. Wir sichern mehr Unterstützung für die Landwirtschaft zu, für Industrien und Städte natürlich auch, und eine stärkere Förderung der sozial Schwachen. Die Liberalisierung und Globalisierung der Wirtschaft wollen wir fortsetzen, gleichzeitig aber unsere heimische Industrie besser schützen.“

Aktuelle Umfragen prognostizieren einen knappen Sieg der amtierenden Koalition unter Führung der rechten Hindu-Partei BJP. Doch wie im vergangenen Jahr könnte sich der Wille des Volkes auch diesmal nicht in klaren Mehrheitsverhältnissen niederschlagen. Dann wäre Pawars große Stunde gekommen. Unterstützt von 20 bis 30 Abgeordneten könnte er bei der Regierungsbildung das Zünglein an der Waage bilden, würde dabei für sich ein wichtiges Ministeramt aushandeln oder gar selbst eine Koalition führen. Noch streitet er vehement ab, weder der BJP noch dem Kongress unter Sonia Gandhi zur Macht verhelfen zu wollen. Doch nicht einmal treue Anhänger wagen dieses Dementi auf die Goldwaage zu legen. Pawar werde sich auf alle Fälle an der nächsten Regierung beteiligen, so glauben viele, ganz gleich, welche Partei sie auch führe. Vor zwanzig Jahren hatte der schlaue Fuchs schon einmal die Kongress-Partei gespalten und sich dadurch zum Regierungschef in Maharashtra gemacht. Aber als sein Stern 1986 wieder zu sinken begann, kehrte er in die Arme der Mutterpartei zurück.

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