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Drei Jahre Frist für den Puck

Mit einem 8:3-Sieg gegen Nürnberg im ersten Heimspiel starten die München Barons den wohl letzten Versuch, Profi-Eishockey in der Stadt zu etablieren  ■   Aus München Fred Stein

Irgendwann in irgendeiner Ecke des Olympiastadions hat dann doch noch jemand gefragt, wie es drüben in der Eishalle ausgegangen sei beim ersten Heimspiel des brandneuen DEL-Klubs München Barons gegen Nürnberg. 8:3 für München, hieß es knapp, womit das Thema hinreichend diskutiert war und man sich wieder der Leichtathletik zuwenden konnte. Das Grand-Prix-Finale war eben doch das wichtigere Ereignis an diesem Wochenende im sportüberfluteten München, auch wenn die Weltelite bei diesem letzten Jahrestermin reichlich müde um die üppigen Prämien torkelte. Und wenn nicht das Grand-Prix-Finale wichtiger gewesen wäre, wäre eben der Fußball wichtiger gewesen, der zeitgleich im Vorort Unterhaching rollte beim Bundesliga-Duell der Spielvereinigung gegen Stuttgart.

So haben alle Beobachter gleich am ersten Pflichtspielwochenende im jungen Leben der Barons Bestätigung für die Vermutung bekommen, dass es ein Schweres wird, Eishockey dem Münchner Publikum als zusätzliches Sportentertainment schmackhaft zu machen. Da können die Barons noch so gut spielen – so leicht werden sie nicht in Vergessenheit schießen, was als rätselhafte Tatsache auf dem städtischen Sportbetrieb lastet: Der Pucksport hat traditionell ein Problem in Deutschlands Fußball-Hauptstadt, zumindest wenn er im Glitzergewand des DEL-Kommerzsports daherkommt.

Warum das so ist, weiß keiner so genau, aber es stimmt schon: Der Münchner Sportfreund scheint ein besonders tief empfindender Nostalgiker zu sein, dem der Sinn weniger nach professionell vorgetragener Edelkunst steht, als nach vermeintlich ehrlichem Laienschauspiel. Jedenfalls sind die Fans einst begeistert in die Eishalle am Oberwiesenfeld geströmt, als der selige EC Hedos noch die Scheibe kreisen ließ und sich mit rauhem Kampfsport gegen den Abstieg aus der Bundesliga stemmte. Sind ausgeblieben, als ein paar halbseriöse Geschäftsleute Hedos DEL-kompatibel getrimmt hatten und unter dem Namen Mad Dogs ein Musterensemble elegant zum Meistertitel kurvte. Haben dafür wieder lautstarke Partys gefeiert, als Hedos längst pleite war und sich ein Team mit vielen Kleinhelden früherer Tage unter dem neu kreierten Wappen des ESC München von der Landesliga locker und langweilig in die Erste Liga hievte.

Aber jetzt sind eben die Barons da, ruckzuck vor Ort gezaubert von einem Mann, der hier als unsichtbarer Pate wie noch keiner vor ihm eine Duftmarke des ganz großen Geldes hinterlassen hat. Milliardär Phil Anschutz besitzt schon viele Sportteams, daheim in den USA und auch in Europa, und hatte eigentlich vor, sich ein weiteres in Berlin zuzulegen. Der Markt dort sei dicht, ließ man ihn aus der DEL-Zentrale wissen, dafür wäre in München noch Bedarf. Anschutz war's gleich, und er ließ den Dollar rollen: Der ESC-Vorsitzende Litzinger, einst ein vollmundiger Anwalt gegen jeden bösen DEL-Sport, wurde mit einer ordentlichen Abfindung schweigsam gemacht, die DEL-Lizenz des maroden EV Landshut aufgekauft und schließlich eilig ein Ensemble zusammengestellt. Max Fedra, im vergangenen Jahr noch Manager in Landshut, nahm sich des gleichen Jobs bei den Barons an und brachte gleich eine gesunde Basis aus Landshut mit. Acht Feldspieler plus Torwart, den Rest rekrutierte er aus Übersee, europäischem Ausland und DEL. Seinen Trainer fand er in Zug: Für den Kanadier Sean Simpson sprach, dass er deutsch redet und mehrmals Schweizer Meister war.

Die sportliche Qualifikation des Neulings ist unbestritten, und somit wäre alles schön und gut, wenn da eben nicht dieses unergründliche Verhalten der örtlichen Kundschaft wäre. Drei Jahre hat Anschutz Fedra Zeit gegeben, um die Barons zu einem rentablen Unternehmen zu machen. Das bedeutet: Zuschauer müssen her, Medieninteresse und Sponsoren. Eifrig haben die Barons deshalb für sich geworben, die Münchner Zeitungsredaktionen mit Informationsmaterial zugedeckt und sich alle Mühe gegeben, dem Fan den Eindruck zu vermitteln, dass es sich bei den Barons um ein echtes Münchner Gewächs handelt, mit dem man sich reinen Gewissens identifizieren kann. Dass sie München Barons heißen und nicht Munich Barons, soll ein Zeichen sein, ebenso, dass angeblich allerhand Ausländer im Team des Deutschen mächtig sind. Wie gesagt, in drei Jahren muss die Firma florieren. Sonst zieht Anschutz sich zurück. Die Barons würden sterben, und das Profi-Eishockey aus der Stadt verschwinden. Diesmal, daran zweifelt niemand, für immer.

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