■ Das Diepgen des Tages: Biermann
Bänkelsänger Biermann gibt nicht auf. Die Chausseestraße in Mitte – das ist seine Straße. Noch immer hat es der Kerl mit der Klampfe nicht verwunden, dass in der Wohnung, in der er sich in den Siebzigerjahren seine Lieder ausdachte, heute Hanno Harnisch lebt – Sprecher der PDS. Für Biermann ein unverbesserlicher Altkommunist. Aber so richtig traut sich der Ex-Ossi nicht mehr ran an den Harnisch. Statt wie noch einmal alle jurististischen Hebel in Bewegung zu setzen oder heldenhaft auf Harnischs Treppenabsatz in den Hungerstreik zu treten, ging er ins Asyl – in das nahe gelegene Brecht-Zentrum.
Hierhin, am ehemaligen Wohnort des Dichters, dessen Attitüde Biermann – wessen Straße ist die Chausseestraße – so gern für sich reklamiert, lud er seine Fans. Gekommen waren auch ein paar Feinde von damals. Grund genug für den gerechtesten aller Bürgerrechtler, noch einmal vom Leder zu ziehen: „Mich kotzt es an, die Leute hier rumsitzen zu sehen, diese Helden.“ Überhaupt hat es Biermann schwer in dem total überfüllten Saal. Habe er damals nicht auch Westgeld für seine im nichtsozialistischen Ausland verkauften Platten bekommen, sei er nicht also auch privilegiert gewesen gegenüber anderen Bürgern der DDR, wird er gefragt. Biermanns Antwort ist verblüffend: „Es war meine geschichtliche Rolle, den antistalinistischen Drachentöter zu spielen.“ Wer von Drachen redet, schweigt auch nicht von Gott. „Schon die Bibel sagt: Alles hat seine Zeit.“
Nur der Herr wird wissen, wann die Zeit von Biermann kommen wird. Molly Bluhm
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