Das TBT-Prinzip Hoffnung: Angst vor Superkiller
■ Bürgerinitiative revoltiert gegen Giftschlamm / TBT-Entsorgung begann
Die Nerven liegen blank. „Als gäbe es nicht noch andere Probleme als Tributylzinn“, schimpft Bernd Langer vom BUND-Bremen. „Glücklich sind wir nicht“, sagt Marion Mahnke von der Bürgerinitiative Luneplate in Bremerhaven. Und Hans Peter Weigel vom Bremer Wasserwirtschaftsamt rennt sich die Hacken ab, um alle Bedenken gegen die Entsorgung von Bremerhavener Giftschlamm zu entkräften: In dieser Woche wurde nämlich damit begonnen, mit Tributylzinn (TBT) vergifteten Hafenschlamm aus Bremerhaven auf vorbereitete Flächen auf die Luneplate zu spülen (die taz berichtete).
Wie Hundescheiße am Schuh klebt TBT seit Jahren an Bremer Behörden. Sie schüttelten und zappelten, aber sie wurden das Zeug einfach nicht los, nachdem Niedersachsen verboten hatte, TBT-Schlamm weiter in die Nordsee zu kippen. Mit der Aufspülung auf der Luneplate hofft man nun, Sonne und Sauerstoff werden das Gift spalten. Nach drei Jahren soll dann aus hochgiftigem Hafenschlamm hochwertige Blumenerde werden, so träumt der Bremerhavener Hafenamtsleiter Hinrich Gravert.
Ob die über 230.000 Kubikmeter Giftschlamm diese Mutation indes mitmachen, weiß niemand. Sinnvolle Alternativen zur Landdeponierung von TBT gibt es aber nicht. Was in Bremen nach langwierigen Verfahren auf die Beine gestellt worden ist, könnte Vorbildcharakter haben. Denn andere Städte und Gemeinden an der Nord- und Ostseeküste gehen unbekümmerter mit TBT um. Und das, obwohl Schnecken, Muscheln und Fische wegen TBT verrecken. Und obwohl TBT das menschliche Immun- und Hormonsystem zerstört.
Deswegen sind die AnwohnerInnen an der Luneplate in heller Aufregung. Aug in Aug mit TBT? Nee! Eine Bürgerintiative kämpft gegen die Aufspülung des Giftschlammes. Marion Mahnke, eine Sprecherin der BI: „Es gibt so viel Ungereimtheiten. Wir sind nicht umfassend informiert worden.“ Wütend ist die BI über ein Rohr, aus dem TBT-Wasser in die Lune fließen könnte. Ein Schutzdeich könnte im Zuge der Aufspülung brechen. Aus Nassflächen könnte TBThaltiges Sediment ins Grundwasser gespült werden. „Wir haben ein Überwachungsprogramm mit allen Beteiligten abgesprochen“, sagt Hans Peter Weigel vom Wasserwirtschaftsamt.
Die Bürgerinitiative in Bremerhaven bleibt weiter misstrauisch. Schließlich hat vor zwei Jahren der damalige Häfensenator Uwe Beckmeyer vollmundig in der Bürgerschaft getönt: „TBT ist kein Problem“. Das Problem kostet Bremen jetzt schlappe 150 Millionen Mark. Thomas Schumacher
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