: Nicht geahnt, „dass es so hart wird“
■ Kampf um den Strom-Markt in der Handelskammer / Etiketten- Schwindel: Konkurrenten kaufen den Strom doch nur bei der swb
Wie teuer darf der Strom heute noch sein? Diese Frage bewegt auch die Unternehmer, und so hatte die Handelskammer gestern zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Mit von der Partie unter anderem: swb-Enordia-Chef Reinhold Wetjen, Hachez-Unternehmer Hasso G. Naujok, ESN-Energiemakler Klaus Hilker.
Naujok referierte eine typische Erfahrung: Auf seine Ausschreibung hin bekam er verschiedene Angebote aus der Region, die offenbar abgesprochen gewesen seien, jedenfalls ohne relevante Preis-Unterschiede. Allein ein ausländischer Anbieter lag deutlich darunter. Als er damit zu dem alten Vertragspartner Stadtwerke, heute „swb-Enordia“, ging, konnte die plötzlich auch zu dem günstigeren Preis liefern. Und siehe da, die regionalen Anbieter besserten ihre Angebote auch nach. Naujok blieb bei der „swb“.
Klaus Hilker, der frühere Stahlwerke-Chef, der sich inzwischen erfolgreich als Strompreis-Makler betätigt, kannte diese Erfahrung; er warnte aber, es werde keine konkurrierenden Angebote mehr geben, wenn alle Unternehmen am Ende doch bei dem guten alten Lieferanten blieben. Die Bereitschaft, wirklich zu wechseln, ist für ihn die Voraussetzung dafür, dass ein Unternehmen seine Beratungs- und Vermittlungsdienste in Anspruch nimmt; wenn in einem Jahr vielleicht die Strompreise wieder steigen, weil die Phase der Dumping-Angebote vorbei ist, dann könnte eine gebündelte Marktmacht von Nutzen sein, versprach er.
Für swb-Geschäftsführer Wetjen sind Makler von der Art Hilkers eigentlich überflüssig auf dem Markt – alles kommt darauf an, dass die lokalen Energieversorger flexibel genug reagieren, um die Kunden direkt zufrieden zu stellen. In fünf Jahren, erklärte Wetjen, würden die Stadtwerke auch 40 Prozent ihrer Energie einkaufen, wo es am preiswertesten ist, die Hälfte der eigenen Produktions-Kapazitäten wird stillgelegt. Wenn der Markt nicht mehr so sehr in Bewegung ist und die Preise transparent, dann könnte es für Zwischenhändler wie Hilker, die keinen Service anbieten wie die Stadtwerke, eng werden.
Die große Konkurrenz auf dem Markt findet bis heute weitgehend auf dem Papier statt, erklärte Wetjen: Es gebe nur einen Fall, in dem ein auswärtiges Energieunternehmen – die RWE – wirklich Strom ins Bremer Netz „durchleiten“ würde. Bei allen anderen sei es de facto so, dass sie Strom bei den Stadtwerken kaufen und die Stadtwerke beauftragen, diesen Strom direkt an ihre Kunden zu liefern und den Service wie bisher zu übernehmen. Geändert hat sich also nur, dass die Stadtwerke ihre Rechnung an den anderen Versorger schicken und der an den End-Kunden. Zu den Preisspannen wollte er nur allgemein sagen, dass sie je nach Abnehmer zwischen 6 und 7 Pfennig liegen, die die Stahlwerke zahlen, und unter den 25 Pfennig, die Einzelkunden zahlen.
Bei konkurrierenden Versorgern mit Dumping-Angeboten gingen die lokalen Stadtwerke dazu über, einen direkten Liefervertrag zu verweigern und sie so zu der teuren Durchleitung zu zwingen – um sie so dafür zu bestrafen, wenn sie im Grunde nur „Kunden kaufen“ würden. Wenn demnächst einzelne Kunden ihre Stromrechnung von „Yello“ bekommen, dann handelt es sich aber vermutlich auch um Stadtwerke-Strom, den „Yello“ nur bei den Stadtwerken kauft. Bisher, erklärte Wetjen, habe „Yello“ aber weder über Stromlieferung noch über Durchleitung verhandelt.
Durch Personalabbau haben sich die Stadtwerke auf den Preiskampf vorbereitet, erklärte Wetjen, „aber wir wussten nicht, dass es so hart wird“. K.W.
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