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HEW: Ausstieg nur für Personal

1000 Jobs bedroht: Hamburgs Stromkonzern will ein Viertel der Belegschaft abbauen, sozialverträglich natürlich  ■ Von Kai v. Appen und Sven-Michael Veit

Die mehrheitlich der Stadt gehörenden Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) wollen fast ein Viertel der Belegschaft abbauen. Etwa 1000 der zur Zeit 4624 MitarbeiterInnen werden im nächsten Jahr ihre Arbeitsplätze verlieren. Ausgerechnet zu Weihnachten soll die Belegschaft über die Pläne, an deren Details noch gefeilt wird, offiziell informiert werden.

Es handele sich um „notwendige Personalanpassungsmaßnahmen“, begründet Manfred Timm, Vorstandschef der HEW, diesen drastischen Stellenabbau, „an die Bedingungen des freien Strommarktes“. Er werde, stellte Timm klar, „diesen Arbeitsplätzen keine Träne nachweinen“. Um die Überlebensfähigkeit des Unternehmens bei dem Preiskampf um die Steckdosen der Verbraucher zu sichern, sei dieser Einschnitt erforderlich. Der Atomkonzern aus der City Nord hat das Geschäftsjahr 98 mit zwei Rekorden abgeschlossen: Der Gewinn stieg auf 163 Millionen Mark und die Dividende auf 27 Prozent.

Die Pläne der HEW sehen eine Vorruhestandsregelung für MitarbeiterInnen vor, die 55 Jahre oder älter sind. Der Stellenabbau werde „freiwillig und sozialverträglich erfolgen“, versichert Timms Sprecher Johannes Altmeppen, und alle Bereiche des Konzerns umfassen. Entlassungen oder betriebsbedingte Kündigungen jedoch „kommen nicht in Frage“.

„Wir sind vom Unternehmen über die Pläne informiert worden“, bestätigt HEW-Betriebsratschef und Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Straßer den geplanten Arbeitsplatzabbau. Es müsse jetzt darum gehen, „in Verhandlungen nach Lösungen zu suchen“. Hamburgs IG Metall-Chef und HEW-Aufsichtsrat Bernhard Janßen ist über den geplanten Personalabbau nicht informiert: „Über konkrete Zahlen ist mir nichts bekannt.“ Ein Stromunternehmen müsse sich aber aufgrund der Liberalisierung des Strommarktes „zwangsläufig Gedanken machen“, sonst würde es unverantwortlich“ handeln.

Bereits in den vergangenen Jahren haben die HEW massiv Stellen reduziert. Gegenüber dem Stand von 1991 mit 5725 MitarbeiterInnen ist die Beschäftigtenzahl bereits um 1100 gesunken. Zur „Schaffung einer wettbewerbsfähigen Vergütungsstruktur“ setzte der HEW-Vorstand zum 1. Oktober voriges Jahres eine „neue Tariflinie“ durch. Diese beinhaltet stark abgesenkte Tarife bei Neueinstellungen. Desweiteren laufen derzeit Verhandlungen mit der IG Metall Hamburg über Verschlechterungen des Manteltarifvertrages, in dem Arbeitszeiten, Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie Altersversorgung geregelt sind. Dadurch könnten, heißt es im neuesten HEW-Geschäftsbericht, der am 3. Juni vorgelegt wurde, „Outsourcing-Maßnahmen verhindert und weiterer Personalabbau begrenzt werden“.

Auf 1000 Jobs. Aber davon steht im Geschäftsbericht nichts.

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