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■ Toller als die Simpsons

 So funktioniert wohl Propaganda: Bereits vor dem Start der amerikanischen Zeichentrickserie South Park auf RTL waren die Zeitungen voll des Lobes – der Cartoon sei ein Riesenerfolg in Amerika, die vier Jungs mit den Ballonköpfen hätten Kultstatus erlangt. Die Musikzeitschrift Visions widmete der derzeit „unkorrektesten, coolsten und witzigsten TV-Show“ gar ein 12-Seiten-Special.

 Kein Wunder, dass man dieser Begeisterung auf den Leim geht. Aber hätte man ein Bild von Cartman, Kenny & Co. in den Flur pinnen müssen? Und die Welt verrückt machen: „Ihr müsst South Park gucken! Soll noch toller sein als die Simpsons!“ All das vor der ersten Sendung. Dann gab's prompt eine eiskalte Dusche! Das soll witzig, frech, pervers, scharf sein? Einfallslos fluchen die Trick-Pennäler durch die Lande – schlimmstenfalls „Arschloch“ und „Scheiße“ brüllen sie. Dazu wird permanent gekotzt und gefurzt. Ganz schön platt, die allseits gepriesene Originalität wird schmerzlich vermisst, das kann nicht nur an der braven Übersetzung liegen. Doch man bleibt am Ball und schaut auch Folge zwei und drei – vielleicht muss man sich an diesen Humor erst gewöhnen? Es fällt schwer: Magersüchtige Aliens verpflanzen Analsonden, Cartman frisst sich TV-reif, und Kyle kickt seinen kleinen Bruder beim „Babyfreistoß“ – so flackert der „neue Klostein der Weisen am Firmament der Popkultur“ (Visions).

 Was ist denn nun so schräg an South Park? Höchstens die Synchronstimmen, die prallen spitz und schrill aufs Trommelfell. Nur einen schließt man sofort ins Herz: den nuschelnden Kenny, der besonders von der Seite klasse aussieht. Und ausgerechnet der stirbt in jeder Folge, auf blutrünstige Weise. „O mein Gott, sie haben Kenny getötet!“ Wenigstens hier sind die Erfinder so erbarmungslos wie angekündigt.            Jutta Heeß

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