Was ist geblieben von der DDR?: „Ostalgisch bin ich nur musikalisch“
■ Uwe S. (46), Ost-Liedermacher, hält den Westen für „eine Sache auf Zeit“
Von der DDR gibt es nur noch das „D“. Das steht für Deutschland. Die Deutsche Reichsbahn gibt es nicht mehr, dann würde es noch das „DR“ von der DDR geben.
Ich vermisse auf beiden Seiten ein bisschen mehr Toleranz. Die Mauer ist unsichtbar geworden. Aber sie steht nach wie vor. Das wird sich erst in der nächsten Generation ändern. Man hat auch jedes Mal das Gefühl, jetzt gehe ich in den Westen, wenn man in einen West-bezirk fährt. Ich fahre oft rüber, nach Kreuzberg zum Beispiel, und mache dort in verschiedenen Klubs Musik.
Ich bin eigentlich Baumaschinist. Bis ich 40 war, habe ich in dem Beruf gearbeitet. Dann wurde ich krank und wurde berentet. Jetzt mache ich in meiner Freizeit fast nur noch Musik. Ich will mal sagen, wenn man belanglos bleibt, sind die Unterschiede nicht vorhanden. Wenn man aber konkrete politische Sachen von vor und nach der Wende anspricht, dann hat schon jeder seine spezielle Meinung.
Ich habe zu Hause noch einige Sachen von früher. Eine Kaffeemaschine, Schallplatten, Kassetten. Meine Gitarre, auf der ich spiele, ist auch noch aus der DDR-Zeit. Ich habe festgestellt, dass im Westen zwar alles wunderbar ist und funktioniert. Aber es ist genauso wie mit der Gesellschaft: Es ist eine Sache auf Zeit.
Ostalgisch bin ich nicht. Musikalisch vielleicht, aber nicht politisch. Ich bin Liedermacher und singe noch heute Lieder von der Vorwendezeit, von der unmittelbaren Wende und auch von danach. Es sind eher politische Texte, selbst die Liebe ist politisch. Es gibt nichts Unpolitisches auf dieser Welt.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin PDS-Wähler. Ich sehe nicht ein, dass ich jetzt zu Westzeiten meine Meinung ändern soll, wir haben die Meinungsfreiheit. Wie auch die Wahlen in Sachsen gezeigt haben, sind wir am Kommen. Auch in den alten Bundesländern wird der Trend dahin gehen.
Aufgezeichnet: Barbara Bollwahn de Paez Casanova
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