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Die Volksuni AG

■  Ein Streitgespräch zwischen Jörg Schönert und Frank Nullmeier von der Universität Hamburg über Hochschulreform, Kommunikationsprobleme und neue demokratische Ökonomie an der Universität

taz: Herr Nullmeier, sie leiten das Projekt Uni-Entwicklung. Was muss denn reformiert werden?

Frank Nullmeier: Eine Menge. Das fängt bei Organisationsstrukturen an im Bereich der Verwaltung und geht bis in die Lehrstrukturen. Das ist im Moment der größte Umbruch innerhalb der Hochschulen, den man sich vorstellen kann, weil alle Elemente von Hochschulen betroffen wird, von der Rechtsform bis hin zur Art, wie der Unterricht abläuft. Vor allem gibt es Reformbestrebungen, die in eine betriebswirtschaftliche Richtung deuten. Zum Beispiel: sehr genaue Leistungsmessung und -kontrolle mit verschiedenen Instrumentarien oder stärkere Transparenz.

Jörg Schönert: Eine Leistungskontrolle wäre nicht ehrenrührig. Kontrollieren ist aber etwas anderes als disziplinieren. Ich warne davor, aus Ergebnissen einen Standard abzuleiten. Ich stehe sechs Jahre vor der Pensionierung und habe viel Wissen erworben, im Bereich Management zum Beispiel. Das würde ich gern Jüngeren weitergeben. Die fehlen uns aber. Ich bin in einer Zeit groß geworden, als der Mittelbau sehr stark war und zwischen Lehrenden und Studierenden vermittelt hat. Dieser Mittelbau fehlt heute. Das trägt dazu bei, dass es an den Universitäten so viele Kommunikationsprobleme gibt.

Nullmeier: Da wird auch vernünftig geplant. In einer Zeit, in der Stellen gestrichen werden, muss man nicht soviel akademischen Nachwuchs ausbilden. Das ist das strukturelle Problem dabei. Heute fällt der Mittelbau auch hochschulpolitisch aus. Da ebenso die Studierenden immer weniger Interesse daran zeigen, tragen vor allem Teile der Professoren die Hochschulreform.

Schönert: Die Einstellung der Studierenden hat sich geändert. Ich habe den Eindruck, dass viele die Uni als Ausbildungsbetrieb sehen. Doch Universitäten sind Foren, wo nicht nur gelehrt, sondern wo gemeinsam Wissen verbunden und entwickelt wird.

Nullmeier: In unserem Projekt haben wir versucht, ein neues Leitbild der Universität zu formulieren. Dort ist festgehalten, dass wir weder einem altertümlichen Begriff der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden anhängen können, noch dass wir uns zu einer Ausbildungsstätte degradieren lassen wollen.

taz: Wie kann eine solche Universität ökonomisch überleben?

Schönert: Solange der Staat es sich leisten kann, die Universitäten zu finanzieren, wage ich an Studiengebühren nicht zu denken. Wenn das nicht mehr geht, muss er einen Teil eben auf die Abnehmer abwälzen. Ich bin absolut gegen astronomische Gebühren, da würden soziale Errungenschaften zerstört.

Nullmeier: Man muss differenzieren. Es kommen neue Technologien. Dadurch kommt Geld ins Spiel. Die Lehre wird ökonomisiert. Es könnte zu Konglomeraten von Lehrenden, Universitäten und Firmen kommen. Die ökonomische Seite wird sich stark verändern. Die Hochschule lebt nicht mehr nur aus dem Verhältnis zum Staat. Mit dem Kapitalgeber kommt ein neuer Mitspieler dazu. Das geht an den Kern des universitären Selbstverständnisses.

Schönert: Mittelgeber wollen immer etwas über die Verwendung wissen. Da ist man rechenschaftspflichtig. Wir wollen keine Kontrolle, können aber über unsere Tätigkeit Rechenschaft ablegen.

Nullmeier: Die Gelder fließen aber eher in bestimmte Richtungen als in andere. In dem Maße, in dem andere Einnahmen wichtig werden, muss man sich überlegen, wie die Universität als ökonomische Einheit funktioniert. Die Wissenschaftsfreiheit muss gewahrt bleiben. Da wird es Differenzen geben.

taz: Gibt es andere Einnahmemöglichkeiten?

Nullmeier: Eine völlig verrückte Sache wäre die: Wenn die Uni sich ökonomisiert, könnte es sinnig sein, dass alle Mitglieder in bestimmter Weise daran beteiligt sind. Auch die Lehrenden und die Studierenden. Wenn nicht mehr politisch argumentiert wird, muss ich versuchen, die Ökonomie zu demokratisieren.

Schönert: Das wäre eine Art Uni AG, so ähnlich wie bei VW: die Volksaktie für die Volksuniversität.

Nullmeier: Genau.

Interview: Jochen Brandt

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