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Business in schönster Eintracht

In Berlin tagt dieses Wochende der einflussreiche Transatlantische Handelsdialog. Reizthemen zwischen USA und Europa werden schöngeredet    ■ Von Katharina Koufen

Berlin (taz) – Draußen: bunt gekleidete Demonstranten, Transparente. Eine Hand voll Umweltschützer protestieren gegen die Auswirkungen des Welthandels. Drinnen: graue Jacketts, graue Haarkränze. Sieben Herren aus den obersten Etagen von Wirtschaft und Politik sitzen im Bellevue-Saal des Berliner Hotels Intercontinental, darunter der Vorsitzende der Welthandelsorganisation (WTO), Mike Moore, der EU-Handelskommissar Pascal Lamy und US-Wirtschaftsminister William Daley. Die Tagung des Transatlantic Business Dialogue (TABD) hat begonnen. Jérome Monod, der Vorsitzende des TABD, begrüßt die Runde.

Mehr als 120 Wirtschaftsunternehmen aus Europa und den USA verhandeln an diesem Wochenende darüber, wie sie den Handel zwischen den beiden Regionen erleichtern können – immerhin geht es um ein Volumen von drei Billionen Dollar jährlich. Und auch hier wieder die Frage: Was wird auf der Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation (WTO) Ende November in Seattle diskutiert? Noch am Mittwoch hatten sich US-Präsident Bill Clinton und der Vorsitzende der EU-Kommission, Romano Prodi, zu diesem Thema getroffen. Nicht nur um Dienstleistungen und Landwirtschaft solle es gehen, betonten die beiden. Auch Handel via Internet und geistiges Eigentum sollen auf die Tagesordnung. Und: Direktinvestitionen im Ausland.

Gestern und heute wird die WTO-Runde aus der Sicht des einflussreichen Wirtschaftslobbyverbands TABD diskutiert. Ausländische Direktinvestitionen? „Das multilaterale Abkommen über Investitionen ist vom Tisch“, sagt WTO-Chef Moore und widerspricht Clinton und Prodi: „Es wird nicht wieder aufgewärmt werden.“ Das MAI – so die Abkürzung – sollte Unternehmen aller Mitgliedsstaaten das Recht garantieren, im Ausland investieren zu dürfen, ohne nationale Sozial- und Umweltstandards zu berücksichtigen. Weitere Themen, in Berlin und wohl auch in Seattle: Richtlinien für die wirtschaftliche Rahmensetzung, verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Regierungen und demTABD und das Abkommen über gegenseitige Anerkennung (MRA). Nach dem Motto „Einmal annerkannt, überall akzeptiert“ würde damit ein kleinster gemeinsamer Nenner festgelegt – auch für Sozial- und Umweltstandards.

Der TABD setzt sich zwar, wie er es blumig ausdrückt, für einen „neuen transatlantischen Marktplatz“ ein, zu dem alle Mitgliedstaaten der WTO möglichst freien Zugang haben sollen. Dass in diesem Punkt innerhalb der WTO jedoch keineswegs Übereinstimmung herrscht, wurde auch gestern in Berlin wieder deutlich. So sagte Lamy mit leicht gequältem Lächeln: „Die EU ist bereit, über Agrarfragen zu verhandeln.“ Was er aber nicht hinzufügte: Die Staaten außerhalb der EU, die Interesse an freiem Agrarhandel haben, werden ihre Forderungen mit Zugeständnissen ihrerseits erkaufen müssen – deshalb pochen die Europäer auch so sehr darauf, möglichst viele Punkte auf die WTO-Tagesordnung zu setzen. Auch wenn dieses Wochenende in Berlin Disharmonien unter den Tisch gekehrt werden. Noch sitzen der EU Handelskommissar und der amerikanische Wirtschaftsminister einträchtig nebeneinander.

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