■ Die Menschen im Kosovo brauchen eine Perspektive: Sicherheit ist nicht gleich Frieden
Kosovo, sechs Monate nach Kriegsende: Serben, Roma, muslimische Slawen und katholische Kroaten sind täglich Opfer von Übergriffen. Selbst Angehörige internationaler Organisationen müssen um ihr Leben fürchten. Der Frieden, den die Nato herbei gebombt hat, ist nicht mehr, als das Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen.
Das ist mit Sicht auf die durch 10 Jahre Ethno-Politik geschaffene Dynamik nicht besonders verwunderlich. Schließlich machen UN, OSZE, Nato und die anderen in der Praxis meist westlichen Friedensmacher in Bosnien bereits seit 1995 die Erfahrung, dass eine Aussöhnung auf dem Balkan nach einem Jahrzehnt Dauerpropaganda, Massenvertreibung, Krieg und – vor allem – einer weiterhin aussichtslosen wirtschaftlichen Situation extrem schierig ist. Verwundern kann also bestenfalls die Verwunderung in den Chefetagen der internationalen Verwaltung angesichts der aktuellen Situation.
Oder? Hätte die westliche Politik die jetzige Lage tatsächlich voraussehen und sich entsprechend vorbereiten können? Teil eins der Frage ist einfach zu beantworten: Ja, die internationale Gemeinschaft musste wissen, dass ihr Engagement im Kosovo auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen würde. Nur: Wie bitte hätten Nato, UN oder OSZE sich gegen den aufgestauten Hass und die Perspektivlosigkeit der Menschen auf dem Balkan wappnen können?
Die Antwort heißt: gar nicht. Selbst wenn die KFOR doppelt so stark wäre – die Schutztruppe kann schlecht vor jedes Haus, in dem Nicht-Albaner oder Ausländer leben, einen Panzer stellen. Und auch mehr UN-Polizisten können nicht jedes Dorf in der Provinz ständig überwachen.
Was die „Internationals“ hätten tun können, ist die bosnische Lektion richtig zu analysieren. Dann wäre ihnen klar gewesen, dass sich Frieden auf dem Balkan nur dann herstellen lässt, wenn einerseits die nationalistischen Machthaber mit allen legalen Mitteln bekämpft werden – und andererseits der Bevölkerung eine schnelle Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse in Aussicht gestellt wird. Doch statt endlich in diese Richtung zu arbeiten, appelliert Wolfgang Pertisch, der Chef der internationalen Verwaltung in Bosnien, weiterhin an die lokalen nationalistischen Führer, endlich Verantwortung für ihr Land zu entwickeln; KFOR-General Klaus Reinhardt kündigt verschärfte Patrouillen seiner Soldaten an. So wird der Balkan vielleicht an einigen Orten sicherer – friedlicher wird er nicht. Rüdiger Rossig
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