: „...und zeichnen sich allesamt durch Inkompetenz aus“
■ Jahreshauptversammlung des FC St. Pauli heute abend im CCH: Machtkampf um katastrophale Bilanz
Kein Fußball-Team, keine Führungsspitze, kein Geld, kein Stadion: Der FC St. Pauli verfügt über keinerlei Perspektiven mehr, weder sportlich noch wirtschaftlich. Auf der Jahreshauptversammlung des traditionsreichen Hamburger Fußball-Vereins vom Millerntor heute abend im CCH wird ein neuer Akt der Tragikomödie um Aufstieg und Fall eines einstigen Kult-Clubs geschrieben werden.
Dass die Kicker des Zweitligisten erfolgreich daran arbeiten, den sportlichen Abstieg aus der Zweiten Bundesliga in die Amateur-Gefilde der Regionalliga zu vollstrecken, wird dabei nur eine Nebenrolle spielen. Im Vordergrund stehen der vor Intrigen strotzende Kampf zwischen Präsident Heinz Weisener und dem Aufsichtsrat um Macht und Führung im Verein sowie die katastrophale wirtschaftliche Lage des Clubs.
Erst am Sonntag hatte „Papa Heinz“ die desaströse Bilanz der Saison 1998/99 vorgelegt (taz berichtete). Diese weist für das am 30. Juni abgelaufene Geschäftsjahr einen Verlust von 3,3 Millionen Mark aus. Der Umsatz ging um rund 3,4 Millionen Mark auf nur noch 11,4 Millionen Mark zurück. Zudem drücken den Verein Verbindlichkeiten von 6,4 Millionen Mark und eine Überschuldung von knapp 3,6 Millionen Mark: Der FC St. Pauli ist praktisch konkursreif.
Diese tiefroten Zahlen hatte der 71-jährige Vereinschef dennoch zu schönen verstanden. Die Überschuldung sei um 1,1 Millionen Mark niedriger ausgefallen als ursprünglich geplant. Mit ihrem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk hätten die Wirtschaftsprüfer dokumentiert, dass beim FC St. Pauli „solide gewirtschaftet“ und erfolgreich gespart werde.
Tatsächlich hält der millionenschwere Architekt den Club seit Jahren nur durch den Griff ins eigene Portemonnaie halbwegs am Leben. Seine Geldspritzen in bislang zweistelliger Millionenhöhe sowie persönliche Bürgschaften haben den wirtschaftlichen Untergang bislang verhindert. Durch entsprechende Erklärungen Weiseners gegenüber dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) wurde der Weiterbetrieb auch für die laufende Saison gesichert.
Für den seit Jahren geplanten Stadionneubau auf dem Heiligengeistfeld vermag der Präsident aber erneut weder Finanzierungskonzept noch einen konkreten Zeitplan nennen. „Wir sprechen zur Zeit mit drei verschiedenen Gruppierungen“, sagte Weisener. Die Finanzierung sei sicher. Ein ungenannter Generalunternehmer garantiere den Stadionbau zu einem Festpreis. Überdies sei er bereit, mit einer zweistelligen Summe die Finanzierung zu unterstützen.
Vor dem Hintergrund der verheerenden wirtschaftlichen Situation geht der erbitterte Machtkampf in eine neue Runde, der zwischen dem Präsidenten und dem Aufsichtsrat seit über einem Jahr tobt. Bei der turnusgemäßen Neuwahl des Gremiums heute Abend versucht Weisener, der gern Alleinherrscher ist, neue Kontrolleure seines Vertrauens in den Aufsichtsrat zu hieven. Seine Begründung: „Die Mitglieder des amtierenden Aufsichtsrates haben eines gemeinsam: In ihrem Leben haben sie bisher nichts Erfolgreiches aufzuweisen, sie zeichnen sich allesamt durch Inkompetenz aus.“
So ähnlich wie die Fußball-Mannschaft, die im Zweitliga-Keller dilettiert. Sven-Michael Veit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen