: TÜV-Gelände als Spekulationsobjekt?
■ Was mit der „letzten großen Fläche“ im Viertel geschieht, macht jetzt dem Beirat Sorgen / Appell: Kein voreiliger Verkauf
Unruhe im Beirat Östliche Vorstadt am Dienstagabend: Das ehemalige TÜV-Gelände an der Georg-Bitter-Straße könnte Spekulationsobjekt werden. In einem einstimmigen Beschluss wurde der Senat von den Ortspolitikern gebeten, das Gelände derzeit noch nicht an einen privaten Investor zu verkaufen. Erst solle der Bebauungsplan für das rund vier Hektar große Gelände fertig gestellt werden.
Die Befürchtung: Das Gelände könnte unter Wert schon vorher den Besitzer wechseln. Und wenig später gewinnbringend verkauft werden. Von einer möglichen Gewinnsteigerung von ungefähr 170 Mark pro Quadratmeter spricht Ortsamtsleiter Robert Bücking. Denn derzeit ist das Gelände als Gewerbegebiet eingestuft. Falls die Besitzerin Stadt sich jetzt zum Verkauf entschließt, brächte das nur rund 80 Mark pro Quadratmeter. Im zukünftigen Bebauungsplan aber wird das Gelände höchstwahrscheinlich als “Mischgebiet“ für Gewerbe und Wohnen eingestuft – und über Nacht könnte der Quadratmeter 250 Mark wert sein. Zudem ist unklar, wie das Gelände nach Fertigstellung der Georg-Bitter-Trasse bewertet wird – die Verkehrsanbindung jedenfalls würde sich gewinnbringend verbessern.
Rechtlich ist es durchaus möglich, dass die Stadt urplötzlich verkauft. Die Wirtschaftsfördergesellschaft würde das Gelände am liebs-ten an einem Stück verkauft sehen, wird gemunkelt. Die Alternative, das Gelände in kleine Parzellen aufzuteilen, scheint ihnen umständlich und zeitraubend. Offiziell will man sich nicht äußern.
Fest steht: Aus dem ursprünglichen Interesse der Firma Zech Bau, auf dem Gelände ein großes Einkaufszentrum zu errichten, wird nichts. Das hatte das Planungsamt verhindert, indem nur Einzelhandelsflächen von bis zu 700 Quadratmetern erlaubt wurden. Doch Zech Bau hat offensichtlich weiterhin Interesse am Grundstück, wurde im Beirat berichtet. Inzwischen kann sich der Bremer Bauunternehmer Seniorenwohnungen für das Gelände vorstellen, ergänzt durch quartiernahe Dienstleistungen.
Auch das Autohaus Opel Beckmann hätte gerne Platz, um Autos zu parken. Da den Autoverkäufern ein kleines Gebiet an anderer Stelle weggenommen werden muss, um die Georg-Bitter-Trasse zu bauen, macht man sich Hoffnungen, einen Teil des Kuchens als Ausgleich abzubekommen. Ein Entgegenkommen sei bereits signalisiert worden, hieß es.
Der Beirat geht nun in die Diskussions-Offensive. Den Wirtschaftsförderern solle es nicht so leicht gemacht werden, „über unsere Köpfe hinweg zu entscheiden“, sagte ein SPD-Vertreter auf der Beiratssitzung. Ein Grüner befürchtet, „von den Plänen überrollt zu werden“. Eine Fachtagung soll nun veranstaltet werden, bevor der Bebauungs-Plan in der zuständigen Deputation der Bürgerschaft abgenickt wird. Damit wird zwar erst in drei bis vier Monaten gerechnet. Doch wenn das geschehen ist, wäre die Zukunft des Geländes festgeklopft. Experten für Stadtentwicklung, Planer und Politiker sollen eingeladen werden, sich öffentlich Gedanken über „die letzte große Fläche in unserem Stadtteil, auf der Entwicklung stattfinden kann“ (Bücking) zu machen.
Favorisiert wird derzeit von vielen Ortspolitikern eine Mischung aus Wohnen und handwerklichem Gewerbe auf dem Gelände. Auch gegen Seniorenwohnen spricht erst einmal nichts. Nur dass vielleicht riesige Spekulationsgewinne mit dem Gelände gemacht werden, ohne den Beirat einzuweihen – das scheint dann doch allen ein wenig zu dicke. cd
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