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Das Derby - was sonst!

■ HSV - St. Pauli: Das Duell im Volksparkstadion. Vertrauensbildende Maßnahmen vor dem Spiel des Jahres. Fans auf getrennten Anfahrtswegen

Früher war es besser. Sagt Uwe Seeler. Da hätten sich der Hamburger SV und der FC St. Pauli gut verstanden, da wäre es sehr harmonisch gewesen. Die Fans hätten sich gegenseitig respektiert und gemeinsam Spaß „an der schönsten Nebensache der Welt“ gehabt. Heute sei das anders: „Ich verstehe nicht, warum die Tradition nicht fortgeführt wurde.“ Deshalb blickt der zukünftige HSV-Präsident lieber in die Vergangenheit. Uns Uwe muß weit zurückgehen, um Positives entdecken zu können.

Daß es wieder besser wird mit dem Verhältnis der beiden Hamburger Bundesligisten, hoffen fast alle Beteiligten. Immer wieder ist zu hören, daß „in der Stadt Platz für zwei Vereine“ sei. Schöne Worte, doch am Rand oder in der letzten Reihe möchte niemand sitzen. Keiner will sich vom anderen die Rolle vorschreiben lassen, die er einzunehmen hat. Bis letztverbindlich geklärt ist, wer wie mit wem, wird verhandelt. Die Zeit vor dem heutigen Derby bestimmten die Funktionäre.

So intensiv wie noch nie kontaktieren sich die Verantwortlichen gegenseitig. Er habe Uwe Seeler in letzter Zeit fast häufiger als seine Frau gesehen, scherzte St. Paulis Vizepräsident Christian Hinzpeter. Die Präsidien trafen sich zum Arbeitsessen und -trinken, gemeinsame Erklärungen wurden veröffentlicht. Alle waren so verständnisvoll, daß es manch Aus-senstehendem zuviel des Schmusekurses wurde.

Auch die organisierten Fangruppen räumten den vertrauensbildenden Maßnahmen oberste Priorität ein. Trotz aller Bedenken – auf beiden Seiten – kamen der Fan-Laden des FC St. Pauli und Fanclubvertreter des Vereins mit ihren Kollegen vom HSV ins Gespräch – allen voran der Supporters Club und der Dachverband. Am Ende stand der gemeinsame Wunsch, die Kontakte zu intensivieren, die über die vergangenen Jahre gefehlt hatten. „Bis wir ein richtig gutes Nebeneinander haben, wird es noch dauern“, sagt Dirk Mansen, oberster HSV-Supporter, der von einem „Duell Faschos gegen Zecken“ nichts wissen will. Er ist sich im klaren, daß die Gespräche und eine gemeinsame Podiumsdiskussion erst der Anfang waren.

Deshalb wurde vereinbart, daß die beiden Fangruppen heute abend noch vollständig getrennte Wege gehen sollen – zur Sicherheit. „Es ist die einzig praktikable Lösung“, sagt Sven Brux, Fanbeauftragter des FC St. Pauli, „im Ausland hat sich das bereits seit Jahren bewährt.“ Dirk Mansen hat gegen die separaten Anfahrtswege zum erstmals seit langer Zeit bei einem Derby ausverkauften Volksparkstadion ebenfalls nichts einzuwenden: „Leider geht es nicht anders.“

Das sogenannte „Glasgow-Modell“ – vielfach erfolgreich angewandt bei den Duellen Celtic gegen Rangers – sieht vor, daß sich die Pauli-Fans ab 18 Uhr beim S-Bahnhof Sternschanze treffen, um von dort aus in Sonderzügen nach Eidelstedt zu fahren. Zu Fuß geht es dann die Schnackenburgallee hinunter zur Ostkurve – Polizei und Ordnungsdienst werden die braun-weißen Anhänger dabei eskortieren. Nach dem Spiel sollen die Pauli-Fans 20 Minuten länger im Stadion bleiben und auf dem gleichen Weg wieder zurückgebracht werden – möglichst heil. Die HSV-Anhänger sollen, so ist es vorgesehen, den üblichen Weg bei Heimspielen nehmen. Vom Bahnhof Stellingen geht es zu Fuß oder mit dem Shuttlebus in die Westkurve, dem angestammten HSV-Revier.

Trotz der Sicherheits-Maßnahmen – Polizei, Feuerwehr und Bundesgrenzschutz waren in die Planungen involviert – und des guten Willens bei allen Beteiligten (Brux: „Beim HSV hat sich eine Menge bewegt“), wird nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen sein. „Es wird noch Mängel geben“, räumt HSV-Organisationschef Uwe Rainer Krause ein. So sind die Stehplatzkurven zwar relativ gut zu kontrollieren, doch bei den Sitzplätzen wird es schwieriger.

Die Gewaltbereiten sind ohnehin nicht in den Griff zu kriegen. Vor allem in den Stunden nach dem Spiel herrscht Alarmstufe eins. Es ist nicht auszuschließen, daß einige Hooligans marodierend über den Kiez ziehen werden, so wie es früher weitaus häufiger der Fall gewesen ist. Daß die Randalierer nur eine Minderheit sind, wird inzwischen auch von den Pauli-Fans nicht mehr bezweifelt. Die Vorurteile sitzen dennoch tief. Aber wie soll sich das auch auf die Schnelle ändern, wenn die einen jahrelang als „rechtes Pack“ stigmatisiert wurden, während man die anderen abfeierte. Vertrauen braucht Zeit, das heutige Derby ist nicht das letzte. Clemens Gerlach

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