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Die Stadtneurotiker im Theater

■ Nicht schlecht: Das Oldenburger Theater zeigt Woody Allens „Kugeln überm Broadway“ ganz amüsant als Bühnenfassung

Als Regisseur müsste man sich schon sehr vertun, um dieses Stück kaputt zu inszenieren: „Bulletts over Broadway“ ist einer der schönsten Woody-Allen-Filme der letzten Jahre, und er eignet sich nicht nur deshalb sehr gut für eine Theaterfassung, weil er vom Theater erzählt. Allen erzählt da die Geschichte von einer Theaterproduktion, bei der sich ein Gangster als genialer Stückeschreiber entpuppt, ein Autor erkennt, dass er kein Künstler ist, und eine Schauspielerin erschossen wird, weil sie so erbärmlich schlecht spielt. Er hat sie so gut konstruiert und mit Pointen gespickt, dass man sie ohne große Verluste auch auf eine deutsche Bühne bringen kann.

Der junge Regisseur David Gravenhorst, der in Oldenburg schon „My Fair Lady“ und „Diener zweier Herren“ inszeniert hat, arbeitete auch hier ohne Patzer – abgsehen von einer ungeschickt präsentierten Pointe. Aber ein wenig litt die Inszenierung an den Sachzwängen eines Staatstheaters. So kam bei der Zusammenstellung des Ensembles etwa auf jeden Treffer eine Notlösung.

Alexander Kalouti gab der Hauptrolle des Theaterautoren David Shayne genau die richtige neurotische Nervosität. Aber die Show stiehlt ihm eindeutig Julia Stelter in der Rolle des Revuegirls Olive Neal, das sich plötzlich in einem anspruchsvollen Theaterstück wiederfindet. Sie musste wohl gemerkt nicht nur (wie die meisten anderen auch) als Schauspielerin eine Schauspielerin spielen, sondern zudem noch eine überzeugend schlechte.

Dies ist eindeutig die dankbarste Rolle, aber Julia Stelter spielt sie auch so schrill und komisch enervierend, dass man die Vergleiche mit Jennifer Tilly, die die Olive im Film spielt, schnell sein lässt. Wenn man dagegen Thomas Lichtenberg in der Rolle des Gangsters und geborenen Künstlers Cheech sieht, bekommt man Chazz Palminteri nicht aus dem Sinn, der bei Allen viel bedrohlicher, erdiger und glaubwürdiger wirkte. Aber vielleicht ist der Vergleich etwas ungerecht, und in einigen Szenen ist Lichtenberg auch wirklich gut.

Einige Nebenrollen jedoch sind wirklich schlimm fehlbesetzt. So spielt den Mafiaboss Nick Valenti mit Rudolf Bellgrasch ausgerechnet ein Österreicher mit Vollbart, eher minimalistischer Mimik und einem schweren Akzent. Otto Waalkes wäre in dieser Rolle auch nicht unpassender gewesen.

Aber, wie gesagt, das Stück kann viel ab. Und solch eine solide, eher konventionelle Inszenierung lenkt nicht unnötig von den Pointen ab. Das Bühnenbild war mit einer Vielzahl von Ortswechseln (Mansardenzimmer, Theaterbühne, Billardbar, Flur hinter der Bühne und wieder zurück) zwar sehr eindrucksvoll, aber auch etwas zu überladen. Beim Hochziehen verhakten sich bei der Premiere auch prompt zwei Kulissen ein paar Meter über der Bühne. Hier folgte die Inszenierung noch zu sklavisch der Filmvorlage. Ein paar Spielorte weniger hätten dem Stück mehr Tempo gegeben.

Lachen konnte man übrigens auch über den Programmzettel: Da bedankte sich das Theater „für die freundliche und kompetente Beratung in Schusswaffengebrauch“ bei der Polizeidirektion Oldenburg. Die paar sehr lauten Schüsse im Stück taten dann auch gehörig den Ohren weh, aber das muss bei den „Kugeln überm Broadway“ wohl auch so sein. Wilfried Hippen

Weitere Aufführungen: 28.11. um 15 Uhr, 30.11. um 20 Uhr sowie am 3., 9., 22., 29. und 31.12. um 20 Uhr; am 31.12. auch um 15.30 Uhr; Kontakt Tel.: 0441/2 22 50

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