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Berichte aus dem Ausland

Kopenhagen (taz) – Die französischen Atomtestpläne stoßen in Dänemark auf Widerstand unter Verbrauchern, Firmen und Politikern. Am Dienstag kündigte die Supermarktkette Spar eine Boykottaktion gegen französische Produkte an. Spar-Direktor Jan Nielsen: „Wir spüren einen wachsenden Verbraucherdruck und wollen die Aktivisten auf Moruroa moralisch unterstützen.“ Schon am Dienstag wurden Käse, Wein, Obst und Gemüse aus Frankreich von den Spar-Regalen in Dänemark entfernt.

Auch der rechtsliberale Europaparlamentarier Bertel Haarder entpuppte sich am Dienstag überraschend als Anti-Atom-Aktivist. Mit einem „Non“-Schild demonstrierte er im Plenarsaal des Europaparlaments während der Rede des französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac zusammen mit deutschen Bündnisgrünen.

„Chirac hat sich für genau die Form von Nationalismus entschieden, gegen die die EU gegründet wurde“, sagte Haarder der dänischen Nachrichtenagentur Ritzaus Bureau. Sein früherer Regierungschef, der konservative Poul Schlüter – der jetzt ebenfalls im Straßburger Parlament sitzt –, wollte sich jedoch nicht beteiligen. Er bezeichnete das Verhalten der demonstrierenden Parlamentarier als „kindisch“.

Am 29. Juni fand die erste größere Friedensdemo seit Jahren vor der französischen Botschaft in Kopenhagen statt. Den Vorschlag eines sozialdemokratischen Parlamentariers, französische Waffenhersteller staatlicherseits zu boykottieren, lehnte der sozialdemokratische Regierungschef schon Ende Juni ab.

Die französische Botschaft in Kopenhagen verhält sich arrogant. Ihre Antwort auf Protestbriefe: „Respektieren Sie bitte, daß Frankreich seine internationale Verantwortung für Frieden, Sicherheit und Fortschritt wahrnimmt.“ Niels Rohleder

Stockholm (taz) – Waren die offiziellen skandinavischen Reaktionen der Politiker aller Couleur gegen die französischen Atomtestpläne deutlich und einhellig, tut man sich beim Thema Boykott-Aktionen etwas schwerer. In Dänemark hatte sich Ministerpräsident Poul Nyrup Rasmussen schon unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Pläne für einen Boykott französischer Waren ausgesprochen – den von ihm ebenfalls unterstützten geglückten Shell-Boykott noch in frischer Erinnerung. Tatsächlich haben in den letzten Tagen einige Ladenketten angekündigt, französischen Wein aus den Regalen zu nehmen.

Ein Beispiel, dem die großen Einzelhandelsketten in Schweden und Norwegen noch nicht folgen wollen. In Norwegen sitzt man beim Thema Boykott wegen des umstrittenen Walfangs im Glashaus. Und was Ölplattformen angeht, droht man in Zukunft ebenfalls internationalen Unwillen auf sich zu ziehen. Die Medien warnen daher recht eigennützig vor der „Boykottwaffe“ als neuem Mittel politischer Auseinandersetzung.

Ähnlich wie in Norwegen kommt in Schweden hinzu, daß man sowieso den eigenen Käse vorzieht und kaum französische Waren in den Regalen zu finden sind. Schon gar nicht Wein, den es nur in den staatlichen Alkoholläden gibt. Was den Weinkonsum angeht, rief Schwedens Landwirtschaftsministerin Margareta Winberg allerdings am Montag dazu auf, in Zukunft ihrem eigenen Vorbild zu folgen und Burgunder und Languedoc in den Regalen stehenzulassen. Ein Boykottaufruf, dem sich neben verschiedenen Jugend- und Frauenorganisationen auch die Grünen anschlossen. Innerhalb der sozialdemokratischen Partei mehren sich Stimmen, die Ministerpräsident Ingvar Carlsson auffordern, politisch aktiv zu werden: durch Ausnutzen seiner Möglichkeit, einen außerordentlichen EU- Gipfel zum Thema zu verlangen. Reinhard Wolff

Amsterdam (taz) – Die Kampagne von Greenpeace Niederlande gegen die Atomtests Frankreichs am Moruroa-Atoll nimmt einen erfolgreichen Verlauf. Die Umweltschutzorganisation in Amsterdam hat am Dienstag und Mittwoch dieser Woche bis zu zweihundert Anrufe in der Stunde erhalten, so ein Sprecher. Zusätzlich etwa zwanzig Anrufer „hingen“ durchgehend in der Telefon-Warteschleife.

„Die Reaktionen sind noch gewaltiger als während der Aktionen gegen die Brent Spar. Wir gingen eigentlich davon aus, daß damals die Spitze bereits erreicht sei.“ Die Anrufer können bei Greenpeace Aufkleber anfordern, die auf französische Münzstücke passen. Die Münzen sollen von niederländischen Touristen während ihres Urlaubs in Umlauf gebracht werden.

Am Montag rief Greenpeace den niederländischen Premier Kok und alle Botschaften im Ausland dazu auf, sämtliche Festivitäten zum französischen Nationalfeiertag am 14. Juli zu boykottieren. Das Kabinett entschied am Dienstag, daß es sich dieser Boykottmaßnahme nicht anschließt.

Die niederländische Regierung spricht von einer „unnötigen Machtdemonstration“, mit der die Franzosen die Protestaktion von Greenpeace beendet haben. Die römisch-katholischen Bischöfe haben sich inzwischen ebenfalls gegen die Atomtests ausgesprochen. Harald Neckelmann

Rom (taz) – Diesmal will Italien es aber wissen: Nachdem es den Anti- Shell-Protest total verschlafen hatte und sich den Erfolg nun mitnichten ans Hemd heften kann, bricht es in Sachen Atomversuche nun um so mächtiger hervor.

Was Rang und Namen hat, schreibt seinen Namen unter einschlägige Aufrufe, von der Mussolini-Enkelin Alessandra bis zum betagten Links-Vordenker Norberto Bobbio, vom Chef der Neokommunisten Fausto Bertinotti bis zum sonst in nationalistischem Geschrei kaum übertönbaren Chef des außenpolitischen Ausschusses, Mirko Tremaglia.

Manifestationen allüberall, wo sich die blau-weiß-rote Tricolore zeigt, vor der Botschaft, den Konsulaten, den Kulturinstituten. Nachdem Fassadenkletterer die Balkone des ehrwürdigen Palazzo, in dem die Vertretung Frankreichs in Rom residiert, erklommen hatten, wurde eine Bannmeile verhängt; und so kampieren Hunderte von No-Nukes-Demonstranten nun am nahen Campo dei fiori, wo sie der Botschafter bei jedem Blick aus dem Fenster sehen muß.

Für den heutigen Nationalfeiertag der Franzosen sind erneut große Protestkundgebungen vorgesehen, das Parlament wird seine derzeitige Diskussion über die Rentenreform unterbrechen und eine Fragestunde zum Thema „Druck auf Frankreich“ einschieben.Werner Raith

Tokio (taz) – Wenngleich japanische Gäste für ihre Höflichkeit bekannt sind, dürfte Jacques Chirac der hohe Besuch aus Tokio inzwischen auf die Nerven gehen. Bereits im Juni meldete der japanische Premierminister Tomiichi Murayama in Paris die Proteste seiner Regierung gegen die Wiederaufnahme der französischen Atomversuche im Pazifik an. Am Dienstag war es nun Chiracs früherer Bürgermeisterkollege aus Tokio, Yukio Aoshima, der in Paris gewöhnlichen Klartext sprach: „Japan ist als einziges Land Atombomben ausgesetzt gewesen. Die Bürger von Tokio sind deshalb angesichts Ihrer Entscheidung, die Atomversuche wiederaufzunehmen, nervös geworden.“ Der Tokioter Bürgermeister bat den französischen Präsidenten, seine Entscheidung nochmals zu überdenken.

Im Zuge einer außergewöhnlich starken Solidarisierung mit den Forderungen der Südpazifik-Staaten hat sich die japanische Öffentlichkeit in den letzten Wochen mit den bevorstehenden Atomversuchen auf Moruroa auseinandergesetzt. Die bevorstehenden 50. Jahrestage der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki sichern dem Thema zusätzliche Aufmerksamkeit. 40 Bürgerinitiativen haben inzwischen ein Netzwerk „Stoppt die Atomversuche“ gebildet, das für heute zu Protesten vor der französischen Botschaft in Tokio aufruft. Die Wissenschaftsministerin Makiko Tanaka, Tochter des früheren Premierministers Kakuei Tanaka, traf die japanische Stimmungslage, als sie den Franzosen nahelegte, ihre Atomversuche durchzuführen, aber „bitte nicht im Pazifik sondern in der Nähe von Paris“. Georg Blume

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