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Bollywood an der Themse

Die „British-Asian Films“-Reihe im Abaton widmet sich im Dezember besonders dem Autor und Regisseur Hanif Kureishi  ■ Von Georg F. Harsch

Das Abaton zeigt es uns: Tibet, das aktuelle Traumland für westliche Kulturmüde, liegt immer mindestens einen Kontinent weit weg. Das alte Märchenland Indien dagegen findet heutzutage auf der anderen Seite der Nordsee statt, nämlich in den Großstädten Englands. Und dass es in denen menschlich, allzu menschlich zugeht, ist aus dem Kino ja bereits bekannt.

Nachdem durch Filme wie The Full Monty (Ganz oder gar nicht) und Brassed Off aus der englischen Slice-of-life-Prollkommödie in den letzten Jahren ein massenwirksames Genre mit Selbstverwirklichungs-Rührung und Authentizitäts-Appeal geworden ist, erlaubt die Filmreihe „British-Asian Films“ einen Blick auf ein erfrischend anderes britisches Kino.

Im Dezember setzt sie sich fort mit einer Art Werkschau von Hanif Kureishi, nach seinem Kumpel Salman Rushdie mittlerweile wohl der bekannteste britische Autor und Drehbuchschreiber subkontinentaler Herkunft.

Den Auftakt macht am Sonntag My son the fanatic, Kureishis letzte Filmarbeit, die zuerst und zuletzt beim Hamburger Filmfest 1997 in einem deutschen Kino zu sehen war. Englischer Rassismus, Generationenkonflikte innerhalb der indischen oder pakistanischen Familien, kulturelle Missverständnisse – Udayan Prasads Film nach Kureishis Kurzgeschichte hat alle Zutaten des britisch-asiatischen Film-Masalas. Nur, dass hier alles ein bisschen gegen den Strich läuft: Der anglizierte pakistanische Vater, der als Taxifahrer arbeitet und eine rührende Vorliebe für alte Swing-98er hat, muss feststellen, dass sein Sohn sich einer islamisch-fundamentalistischen Gruppe angeschlossen hat. Während ihm sein Sohn die wahre Lehre predigt, beginnt der Vater eine zarte Affäre mit einer englischen Prostituierten, und der Film steuert, zunächst noch recht kommödienhaft, auf die Katastrophe zu. Neben der sich rasant, aber fließend entwickelnden Handlung wird der Film besonders durch das Gesicht von Om Puri mit seinen Pockennarben und seiner unglaublichen Mimik zu einem Kronjuwel. Und das Schönste ist: Egal, wie eklig nordenglische Prolls und selbsherrliche pakistanische Fundamentalisten daherkommen, die widerwärtigste Figur im ganzen Film ist ein Deutscher.

Auf dieses Schmankerl lässt das Abaton dann ganz unchronologisch einen Klassiker folgen: Mein wunderbarer Waschsalon war 1985 nicht nur Kureishis großer Sprung nach vorne, sondern startete auch die Karrieren von Regisseur Stephen Frears und Schauspieler Daniel Day Lewis. Aus der kleinbürgerlichen Aufbruchsstimmung der frühen Thatcher-Jahre wird darin in der Umkehrung der Klischees eine homoerotische, britisch-pakistanische Liebesgeschichte, die in einer Existenzgründung kulminiert.

Etwas aus dem Rahmen fällt Kureishis erste Regiearbeit, die melancholische Junkie-Ballade London kills me. Vom Culture Clash ist hier nichts zu sehen, dafür aber um so mehr von den Zwängen und der Tristesse des urbanen Drogenlebens.

Zum Schluss der Reihe bietet das Abaton noch eine kleine Kino-Rarität: Die Channel4-Produktion Bhaji on the beach, die einen weiblichen Blick auf die Zwischen-Räume der Kulturen liefert. Der Ausflug einer Gruppe asiatischer Frauen unter der Leitung ihrer feministisch-antirassistischen Sozialarbeiterin in den illuminierten Prollfeed-Alptraum Blackpool wird zur emanzipatorischen Reise für die Beteiligten. Der Film feiert gleichzeitig die Charakterstärke asiatischer Frauen und den billigen, aber befreienden Hedonismus britischer Trashkultur, unterlegt mit einer auf Urdu gesungenen „Summer Holiday“-Bollywood-Soundtrack-Version. Allein sie rechtfertigt den Kinogang schon mehrfach.

My son the fanatic, So, 13.15 Uhr, Mo, 15.15 Uhr, Di 22. 30 Uhr, Mi 17.30 Uhr, Abaton. Weitere Termine siehe Filmübersicht

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