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Bequem im Schinkel-Bett

Das Charlottenburger Schloß als Motiv einer „thematischen Installation“ in der Orangerie – ein Beitrag zur Diskussion um seine Zukunft  ■ Von Stephan Schurr

Als die diversen Schlachten geschlagen waren und Napoleon vor dem Brandenburger Tor stand, überfiel ihn aus verständlichen Gründen schlechte Laune, die er durch einen Ortswechsel loszuwerden hoffte. Er gab seinem Pferd bis zum Schloß Charlottenburg die Sporen und okkupierte dort das ruhigste Zimmer, das Schlafgemach der geflohenen Luise. Die hatte in ihrem geliebten Schloß mit dem königlichen Schlaf nie Probleme gehabt. Einige Jahre bevor der französische Rauhbauz es sich in ihrem Schinkel-Bett bequem machte, hatte sie in der Ferne ihr Tagebuch geschrieben: „Am 29. bin ich in Charlottenburg, und der Gedanke daran ist mehr wert als alle Beruhigungsmittel der Welt.“ – Damit ist es wohl heute vorbei, denn die „Neustrukturierung der Charlottenburger Kulturlandschaft“ verspricht alles andere als eine beruhigende Zukunft. „Schloß Charlottenburg – ein Musensitz?“ ist der Titel einer Ausstellung in der Kleinen Orangerie, und das große Fragezeichen am Ende ist so bedrohlich wie das Menetekel des Belsazar. Die Leiterin des Kunstamtes, Ulrike Blome, hat dort mit 60 Bildern eine „thematische Installation“ eingerichtet: das Charlottenburger Schloß, das in diesem Jahr 300 Jahre alt wird, als künstlerisches Motiv in zeitgenössischen Arbeiten.

Da gibt es die harmlos-brave Feierabendmalerei für Herz und Gemüt zu sehen („Charlottenburger Schloß und Park im Winter“), aber auch den Sarkasmus eines Matthias Koeppel. Der ließ auf einer Zeichnung von 1979 die Kriegskrüppel von Otto Dix an einem Beifall klatschenden Publikum vorüberziehen, das sich zum Zwecke einer Ausstellungseröffnung auf dem Schloßplatz tummelt. Eine bald wieder aktuelle Szene? Die Vision, die mit dieser Ausstellung in Bildern, einzelnen Fotografien und Textzitaten lebendig wird, ist drastisch: das Schloß als Amüsiertempel der Hautevolee, die „Kunstschätze abkommandiert zur Museums-Insel- Regierungs-Mitte“ (wie es im Katalog zu lesen ist), der Park abgesperrt, so wie ihn Robert Musil antraf: „Wegen Unpassierbarkeit der Wege heute geschlossen“.

Düster sind die jüngsten, in diesem Jahr gemalten Bilder, Reaktionen auf den kulturellen Notstand und die angeheizte Diskussion. Otto Dresslers „Utopische Darstellung des Schloß-,Schicksals‘ in kommender Zeit“ zeigt eine Frontalansicht mit Verbotsschildern, dem Bundesadler und einem schwebenden Polizeiknüppel. Schwarzrotgelbe Soße fließt von oben her ins Bild. Hermann Spörel stellt in seinem Triptychon das Schloß als Ruine dar, und Werner Brunners „Fernes Cythera“ wird von einem Polizeikordon dominiert, davor der Hinweis „Geschlossene Gesellschaft“. Die Rolle der zukünftigen Schloßgäste hat Elisabeth Störmer-Hemmelgarn am besten erfaßt. Auf ihrem Bild „Zaungast im Spiegel der Zeiten“ blickt ein Besucher angestrengt durch eine Glastür des Gebäudes. Einer, der draußen bleiben muß und dabei immer noch von Glück sagen kann. Denn mit welchem Abstand Zaungäste in Zukunft rechnen müssen, zeigt eine Fotografie, die den deutlichsten Kommentar zu den Bildern abgibt: „Sondereinsatztruppen Schutzpolizei D am 8.9.1994: Scharfschützen der Polizei auf dem Dach des Schlosses Charlottenburg [...] kontrollieren die Umgebung [...] anläßlich der Verabschiedung der alliierten Streitkräfte“. Die Ausstellung macht deutlich, welchen Leuten man auf keinen Fall die Kontrolle überlassen soll.

„Schloß Charlottenburg – ein Musensitz?“, Kleine Orangerie, Schloß Charlottenburg, bis 24. September, Di.–So. 14–18 Uhr, Katalog 20 DM

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