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■ KommentarKönigsdarsteller statt Kunst?

Als 1989 das zehnjährige Bestehen des ICC gefeiert wurde, ging man wegen der Gemütlichkeit ins Schloß Charlottenburg. Hier hat man das historische Flair, das Preußenklause und Luisenstübchen nur mit Talmi erzeugen, authentisch und dazu aus einer Zeit, auf die die Demokraten stolz sein zu können glauben. Die neuere deutsche Geschichte ist so ungemütlich!

Ein paar Empfänge pro Jahr in angemessenem Rahmen verkraftet das Schloß, das 1926 allerdings als Museum der Öffentlichkeit übergeben wurde. Was bisher durch Vergaberichtlinien kanalisiert war, welche Räume für wie viele Personen genutzt werden durften, droht indessen beim Umzug der Regierung auszuufern. Das wird auch Folgen für die Umgebung haben. Das Leben um den Klausenerplatz wird sich verändern.

Es ist das Verdienst der Charlottenburger Kunstamtsleiterin Ulrike Blome, mit ihrer Ausstellung zum 300. Jahrestag der Grundsteinlegung die Gefahren für das Schloß und den Bezirk mit der nötigen Deutlichkeit benannt zu haben. Außerhalb der Stadt spricht man schon länger davon. Wilfried Hansmann, der für das Schloß Brühl zuständige Konservator, schloß kürzlich einen Vortrag über die dauernden Schädigungen und vorübergehenden Entstellungen des Brühler Schlosses durch Empfänge aufatmend, nun werde er diese Sorge bald an Potsdam und Berlin weitergeben.

Generaldirektor Giersberg verteidigt Sanssouci tapfer gegen die Königsdarsteller. Wird er es auch bald in Charlottenburg tun? Der Kultursenator, nicht eben Freund dieses heruntergewirtschafteten Hauses, schweigt und sagt nur, es sei viel zu früh, über seine Zukunft als Museum nachzudenken.

Im Schloß bereitet man sich dagegen schon jetzt in karrierefördendem vorauseilendem Gehorsam auf die neue Zeit vor. Am Montag tafelte das belgische Königspaar in der Goldenen Galerie. Die war bis jetzt tabu, denn im anschließenden Konzertzimmer hängt eines der berühmtesten Gemälde der Welt, Watteaus Firmenschild des Kunsthändlers Gersaint. Friedrich der Große hatte es hierhin gehängt.

Es wird wohl weichen müssen, denn Tafelmalerei und Tafelfreuden vertragen sich nicht. Wenn man auch nicht gerade einen Korkenzieher von hinten durch Watteau bohren wird, so ist im Raum neben dem Oberen Ovalen Saal schon einmal ein Sektkorken gegen ein Gemälde von Honthorst geflogen, und in den sechziger Jahren wollte gar eines Abends die Schauspielerin Ingrid van Bergen mit chinesischen Vasen schmeißen.

Wenn gefeiert wird, sind die alten Meister immer die schwächeren. Der Klügere gibt nach, und die Kunst zieht sich zurück. Folglich sollen wegen der Feste zwei Räume von Bildern entleert werden. Statt ihrer wird man Fotos bestaunen dürfen, vielleicht von Festessen.

Hoffen wir, daß die Regierung mit dem Umzug einen neuen demokratischen Stil der Repräsentation entwickelt. Die Berliner sollten ihr dabei helfen. Wilhelm II. mochte durch eine Verkleidung als Alter Fritz sein Selbstwertgefühl heben, die Würde unserer Volksvertreter verträgt, mit Schäuble gesprochen, keinen Mummenschanz. Helmut Börsch-Supan

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