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Praktische Heimatkunde auf Bayerisch

■ Das Landratsamt Donauwörth will einen Achtjährigen nach Ghana abschieben. Der lebt seit siebeneinhalb Jahren bei einer deutschen Pflegemutter. Ein bayerisches Heimatstück

Donauwörth (taz) – Dem 8-jährigen Stephen A. (er besteht darauf, im Folgenden „Stivie“ genannt zu werden) droht die Abschiebung aus Donauwörth nach Ghana. Was Stivie nicht versteht, denn er ist in Deutschland geboren, spricht nur Deutsch mit schwäbischem Einschlag („stimmt nicht“, sagt er, „ich kann auf Englisch bis zehn zählen“).

Seit er fünf Monate alt war, lebt Stievie bei einer deutschen Pflegemutter, die er „Mama“ nennt. Er geht inzwischen in die 2. Klasse einer Grundschule, wo ihn seine Mitschüler vor kurzem zum „beliebtesten Schüler der Klasse“ gewählt haben. Im diesjährigen Weihnachtsspiel macht Stievie den Mohr: Er spielt König Melchior, denn Stivie ist schwarz.

Seine leibliche Mutter aus Ghana gab ihn kurz nach der Geburt zu der Pflegemutter. Die leibliche Mutter soll nun Deutschland verlassen, ihre Aufenthaltsberechtigung ist erloschen, die Abschiebung angedroht. Und weil Stivie als ihr Kind in ihrem Pass eingetragen ist, soll er gleich mit ausreisen. Die Mutter ist jedoch inzwischen untergetaucht. Trotzdem wollte die Ausländerbehörde des Landkreises Donau-Ries den 8-Jährigen zunächst allein nach Ghana zurückschicken. Die Abschiebung des Kindes konnte das Verwaltungsgericht Augsburg gerade noch stoppen. Doch sobald seine leibliche Mutter gefunden wird, wird Stivie mit abgeschoben.

Die verzweifelte Pflegemutter hat beim Familiengericht das Sorgerecht beantragt, aber das Landratsamt legte sofort Widerspruch ein. „Die meinen das ernst“, glaubt Pflegemutter Angelika Schürmann. Warum das Landratsamt den Kleinen abschieben will, bleibt ihr rätselhaft: „Ich weiß nicht, was in solchen Beamten vorgeht.“

Die 59-jährige Frau hat Stivie damals aus einer Asylunterkunft zu sich genommen. Sie lebt in gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen und hat für ihr Pflegekind noch nie staatliche Unterstützung beantragt.

Chef des Landratsamtes in Donauwörth ist ausgerechnet ein SPD-Politiker: Alfons Braun gilt allerdings unter den üblichen „Spezln“ als „bester Mann der CSU“. Er feuerte vor wenigen Wochen einen jungen Chefarzt fristlos aus dem Kreiskrankenhaus, der offen mit den Grünen sympathisiert und sich nicht dem schwarz-roten Klüngel der schwäbischen Kleinstadt untergeordnet hatte. In demselben Krankenhaus ließ sich pikanterweise die Gattin des Landrats über Jahre hinweg bevorzugt behandeln, ohne dafür eine Rechnung zu bekommen. Darum untersucht jetzt auch die Staatsanwaltschaft die Donauwörther Spezl-Wirtschaft.

Den hartleibigen Landrat konnte bislang nicht einmal ein hymnischer Bericht des Schulrektors über Stivies „tadelloses“ Verhalten umstimmen: „Hervorzuheben war vor allem seine stete Leistungs- und Lernbereitschaft. An Themen aus der Heimat- und Sachkunde zeigte er großes Interesse und beteiligte sich aktiv am Gespräch“, ist dort unter anderem zu lesen. Jetzt bekommt Stivie eine Praxislektion in Heimatkunde.

Die kinderpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, Ekin Deligöz, hat dem Landratsamt mittlerweile angedroht, die Abschiebe-Entscheidung durch das Innenministerium in Berlin aufheben zu lassen: „Kinder haben eigenständige Rechte, unabhängig von ihren Eltern.“

Philipp Maußhardt

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