■ Äthiopiens Ex-Diktator Mengistu verschwand aus Johannesburg: Südafrikas Schildbürger
Seit dem demokratischen Wandel am Kap schmücken sich Südafrikas neue Regierende gern damit, dass Menschenrechte einen hohen Stand genießen, und zugleich tritt man als neue demokratische Ordnungsmacht auf dem Kontinent auf. Nelson Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki träumt sogar von einer „Afrikanischen Renaissance“, in der eine neue Generation von Politikern die Menschenrechte achtet und auf gute Regierungsführung Wert legt. Das Verhalten der südafrikanischen Regierung im Fall des äthiopischen Diktators Mengistu verlief indessen nach der Dramaturgie eines Schildbürgerstreichs.
Tagelang lavierte man in Pretoria herum, nachdem bekannt geworden war, dass der „Schlächter von Addis Abeba“ sich in einer teuren Johannesburger Privatklinik aufhält, als Privatmann mit einem simbabwischen Diplomatenpass. Zwar wurde dies nicht offiziell zugegeben, aber selbstverständlich wusste man vorher von der Einreise des Patienten aus dem Nachbarland. Doch niemand hatte offenbar damit gerechnet, dass übereifrige Journalisten das bekannt machen würden. Und noch schlimmer: Niemand hatte sich die möglichen Konsequenzen überlegt – etwa dass Äthiopien eine Auslieferung verlangen würde.
Damit war ein afrikanischer Fall Pinochet geschaffen, der prompt internationales Interesse weckte. Menschenrechtsorganisationen zogen folgerichtig die offensichtlichen Parallelen und forderten die Regierung auf, Mengistu entweder auszuliefern oder vor ein südafrikanisches Gericht zu stellen. Völkerrechtlich ist dies möglich, und Südafrika wäre wohl das einzige Land auf dem Kontinent, in dem die Chance eines fairen Prozesses bestünde. Unabhängig davon, dass Südafrika mit seinen eigenen Diktatoren anders verfahren ist: Der Fall Mengistu hätte einen moralischen und juristischen Präzedenzfall für den ganzen Kontinent schaffen können.
Die südafrikanische Regierung aber zog es vor, sich mit der denkbar peinlichsten Ausrede aus der Affäre zu ziehen. Ihr fiel nämlich ein, dass Mengistu schon lange vor dem zunächst dementierten Auslieferungsbegehren das Land wieder verlassen hatte. Der alternde Diktator sitzt nun wieder da, wo er vorher schon war, in einer sündhaft teuren Villa in Harare. Südafrika aber hat sich nicht nur diplomatisch vollkommen unglaubwürdig gemacht, sondern auch die Afrikanische Renaissance. Und einmal mehr hat die Dankbarkeit gegenüber einem ehemaligen Unterstützer im Befreiungskampf die Richtlinien der Außenpolitik bestimmt. Auch die grausamsten Diktatoren in Afrika, das lernt man daraus, haben nichts zu fürchten. Kordula Doerfler
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