piwik no script img

■ Die PDS scheitert im Westen, und Bündnis 90/Die Grünen sind im Osten so gut wie bedeutungslos. Kooperation könnte beiden helfenDenken wider ein Tabu

... aber zehn Jahre nach der Wende stellt sich die Frage nach einer Zusammenarbeit

Wie über Nacht aus „roten Socken“ ehrenwerte Gesprächspartner werden können, das demonstrierte vor einiger Zeit die CDU. Dass eine solche Kehrtwende der CDU Probleme machen würde, stand ohnehin nicht zu befürchten. Immerhin ist es ihr gelungen, sich die alten Blockparteien, Gerald Göttings CDU-Ost und Günther Maleudas Bauernpartei, einzuverleiben und dennoch den Anschein von wackerem Antikommunismus zu erwecken. Ja mehr noch, mit dem geschickten Wahlplakat „...SPDSDPDS...“ behauptete sie dreist, die SPD, die keine Blockpartei abbekommen hatte, stünde der PDS nahe, und trug so dieses Schreckgespenst weiter vor sich her. Von einer gewissen tragischen Komik ist die Kehrtwende der CDU nur für jene Bürgerrechtler, die 1996 unter großem Tamtam aus ihren jeweiligen Parteien aus- und in die CDU eintraten, weil sie nur dort den wahrhaft antistalinistischen Geist vermuteten.

Nirgends jedoch zeigte sich bislang die fortbestehende deutsch-deutsche Spaltung so deutlich wie an Bündnis 90/Die Grünen und der PDS. Die einen feiern im Osten wahre Triumphe, die anderen haben ein stabiles Fundament an Stammwählern im Westen. Die Grünen schaffen im Osten nicht den Sprung über die Fünfprozenthürde, die PDS schafft ihn im Westen nicht. Dabei sind sich die Programme der beiden Parteien über weite Strecken zum Verwechseln ähnlich. Unterschiedliche Positionen gibt es vor allem in der Wirtschaftspolitik, die bei B'90/Grünen immer liberaler wird, während die PDS unverdrossen auf staatliche Regulierung und konsequente Umverteilung setzt. Allerdings setzen die engen Grenzen der Landes- und Bundeshaushalte sowohl staatsdirigistischen Modellen enge Grenzen (Mecklenburg-Vorpommern) als auch kühnen wirtschaftsliberalen Vorstellungen mit ökologischem und sozialem Akzent im Bund.

Doch es sind nicht die wenigen Unterschiede im Programm, die bisher gegen eine Kooperation sprechen, sondern es ist die getrennte Vergangenheit und deren Folgen. Vor allem eine Frage macht auch mir das Schreiben dieser Zeilen nicht leicht: Sollen wir uns wirklich mit jenen gemein machen, die damals auf der anderen Seite standen? Es geht dabei nicht nur um die Vergangenheit, sondern um Gegenwart. Konnte Wolf Biermann 1990 noch frohgemut über die Raben vom Politbüro singen, „sie haben uns längst verziehn, was sie uns angetan haben“, so sieht er heute, dass „sie uns nie verzeihen, was sie uns angetan haben“. Christa Wolfs Satz vom Vergangenen, das nicht tot, ja nicht einmal vergangen ist, offenbart seine Richtigkeit in dieser Frage deutlich. Aber auch die PDS ist nicht tot, auch sie ist nicht einmal vergangen, sondern fideler denn je. Mit reuigen Sündern ist dort nicht zu rechnen. Vielmehr schwimmt sie auf einer Welle der Ostalgie, die, wie der Soziologe Detlef Pollack herausgearbeitet hat, ein Produkt der vereinigten Bundesrepublik und nicht der DDR ist. Die mangelnde Anerkennung des eigenen Lebens in der Bundesrepublik führt zu einer immer stärkeren Glorifizierung der Vergangenheit, die aber kaum jemand ernstlich zurückhaben will. Die „Rüschenblusenfraktion“ nannte Hans-Joachim Tschiche, damals bündnisgrüner Fraktionschef im sachsen-anhaltischen Landtag, diesen Teil der PDS.

Die PDS auf Ostalgie zu beschränken greift jedoch zu kurz. Kaum eine Partei ist so heterogen wie die PDS. Da ist der hohe Anteil an altgedienten Mitgliedern, die schon früher Parteibeiträge zahlten. Dann die Hardcore-Kommunisten von der Plattform. Zugleich erreicht die Partei jedoch überdurchschnittlich viele junge und Erstwähler. Die junge linke und autonome Szene fühlt sich der PDS im Osten am ehesten verbunden. Der brillante Rhetor Gysi begeistert die Ossis quer durch alle gesellschaftlichen und sozialen Schichten. André Brie sagt Nachdenkliches und Selbstkritisches, und selbst Lutz Bertram, einst Propagandist im Dienste der Volksaufklärung des Ostdeutschen Rundfunks, fand ebenso wie andere ehemalige IMs in ihren Reihen willkommene Aufnahme. Angela Marquardt spricht für die Punks, Lothar Bisky repräsentiert die kritische Funktionärselite, andere haben den Gestus der FDJ-Funktionäre bis heute nicht ablegen können oder wollen. Der Slogan von „Gysis bunter Truppe“ ist wahrlich keine Wählertäuschung. Und genau diese bunte Truppe versammelt sich sogar hinter einem Programm, das, wie kundige Zungen behaupten, in weiten Teilen von den Grünen abgeschrieben wurde. Da es jedoch kein Urheberrecht für Parteiprogramme gibt, es im Gegenteil ein Grund zur Freude sein sollte, wenn andere das eigene Parteiprogramm vor lauter Begeisterung übernehmen und damit erfolgreicher sind als die eigentlichen Autoren, stellt sich die Frage nach einer Zusammenarbeit mit der PDS zehn Jahre nach der Wende neu. Viel mehr an Unrechtseinsicht, als es von der PDS bislang gegeben hat, ist von ihr wohl nicht mehr zu erwarten. Andererseits haben auch Bündnis 90/Die Grünen längst nicht mehr das Monopol auf die Tradition der Bürgerbewegung der DDR. Deshalb sollten wir uns der Frage stellen: Was können wir in einer Zusammenarbeit mit der PDS gewinnen und was verlieren?

Verloren gehen wird ein Stück bündnisgrüne Identität, jedenfalls da, wo sie sich aus dem Widerstand gegen die alte SED-Diktatur und ihre bis heute spürbaren Nachwirkungen speist. Verloren gehen kann auch ein freiwilliges oder unfreiwilliges Sektierertum, das in manchen kleinen Kreisverbänden die Bündnisgrünen im Gefühl der Gralshüter zusammenschweißt.

Die deutsche Teilung ist nirgends so deutlich zu sehen wie bei PDS und Grünen ...

Gewonnen werden kann dagegen politischer Einfluss, der sich in der Auseinandersetzung mit der PDS aus dem besseren Argument und in den Landtagen aus der schlichten Möglichkeit der Teilnahme an der parlamentarischen Debatte ergibt, die uns im Osten ansonsten auf Jahre hinaus verwehrt erscheint.

Was könnten Formen der Kooperation sein? Auf kommunaler Ebene gibt es die unterschiedlichsten Formen der Zusammenarbeit ohnehin schon. Für künftige Landtagswahlen scheinen mir Listenverbindungen sinnvoll. Das hebt die unterschiedlichen Organisationsstrukturen nicht auf, ermöglicht den Bündnisgrünen im Osten jedoch eine Teilhabe an der parlamentarischen und damit der öffentlichen Debatte. Andererseits profitiert auch die PDS, denn sie gewinnt in den Fraktionen streitbare, profilierte und engagierte Vertreter der eigenen Programmatik hinzu. Gleichzeitig kann ihr diese Kooperation helfen, ihr Paria-Dasein zu überwinden. Im Westen könnten die Listenverbindungen andersherum ebenso eingerichtet werden und könnte somit die PDS ihr aus eigener Kraft zum Scheitern verurteiltes Ziel der politischen Teilhabe auf lange Sicht erreichen. Henning Schluß

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen