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■ Mit Europas Eisenbahnen auf Du und DuVielfalt auf Schienen

Brüssel (taz) – Im Europa der transeuropäischen Netze und Hochgeschwindigkeitszüge geht es auf den Grenzbahnhöfen zu wie vor hundert Jahren: Umspannen, abkoppeln, Personalwechsel, Bremstest, Papierkram. Europas kulturelle Vielfalt zeigt sich in fünf verschiedenen Standards für die Stromversorgung, in fünfzehn Signalsystemen und unzähligen unterschiedlichen Vorschriften.

In der Nacht zum Freitag haben die EU-Verkehrsminister einen ersten Schritt hin zum modernen grenzüberschreitenden Güterverkehr geschafft. In Zukunft wird es möglich sein, dass private Unternehmer ihre Produkte in eigener Regie von Lissabon nach Wien schaffen – ohne vorher jedes Mal langwierig mit den nationalen Netzbetreibern verhandeln zu müssen.

Der deutsche Verkehrsminister zeigte sich nach der schwierigen Nachtsitzung euphorisch: „Trotz teilweise extrem unterschiedlicher Interessen haben wir eine Übereinkunft hinbekommen, die die Zukunft des Schienengüterverkehrs in ein eher rosiges Licht taucht.“ Die Verhandlungen hatten sich zum Schluss am Streit um die Preise festgebissen. Nur Deutschland wollte im Text die Zusicherung verankert haben, dass ausländischen Kunden kostendeckende Preise für die Nutzung deutscher Netze abverlangt werden können. Frankreich wollte nur die Grenzkosten, also die durch den Kunden entstehenden Zusatzkosten zulassen.

Kenner der europäischen Verkehrsproblematik bezweifeln, dass die Einigung vom Freitag zu Umrüstungen im bestehenden Schienennetz führen wird. „Umgespannt wird weiter“, sagte ein Experte. Der erleichterte Zugang privater Spediteure erhöhe aber den Druck auf die bürokratisierten Staatsbahnbetriebe. Der Lokwechsel an den Grenzen werde in Zukunft wohl reibungsloser abgewickelt. Auch wachse der Anreiz, Kapazitätsengpässe durch ein standardisiertes europäisches Zusatznetz für Güterverkehr abzubauen.

200 Millionen Euro – rund 400 Millionen Mark – werden bis 2006 aus dem EU-Etat bereitgestellt, um Engpässe im Güterverkehr abzubauen. Die Engpässe in den Köpfen der Bahnbetreiber werden schwieriger zu beseitigen sein. In der Silvesternacht wird man Europas Vielfalt wieder bestaunen können: Während die Deutsche Bahn einen Sicherheitsstopp bis wenige Minuten nach Mitternacht für ausreichend hält, hat die belgische Staatsbahn wegen des Jahr-2000-Problems zwei Stunden Fahrpause verordnet. Daniela Weingärtner

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