Das Portrait: Der Antiheld des Protestes
Joseph Heller
Wenn gleich der erste Roman weltberühmt wird, müssen sich die folgenden Bücher am Erstling messen lassen, und – egal, wie viel Produktives noch folgt: Das Risiko ist hoch, dass der jeweilige Schriftsteller nur als Autor dieses einen Buches in die Literaturgeschichte eingehen wird.
Dem US-Autor Joseph Heller, der am Montag 76-jährig einem Herzanfall erlag, ist genau dies passiert. Von seiner Jugend an bis weit über die Pensionsgrenze hinaus hat er an Kurzgeschichten, Romanen und zwei autobiografischen Schriften gesessen, und doch musste er sich in einem Interview vorwerfen lassen, dass er nie wieder etwas vergleichbar Gutes wie seinen Debütroman „Catch-22“ geschrieben habe. Joseph Heller nahm’s mit der ihm eigenen Mischung aus Sarkasmus und Achselzucken. „Wer hat das schon?“, so blaffte er zurück.
„Catch-22“, dieser Romantitel ist in den USA längst in die Alltagssprache übernommen worden. Man bezeichnet damit Situationen, in denen Einzelne von ihren konkreten Vorgesetzten oder dem System im Allgemeinen in ausweglose Situationen gebracht wurden. So hat Heller den Amerikanern einen neuen Stoßseufzer geschenkt.Welcher Autor kann das schon von sich behaupten?
In dem 1961 erschienenen, allein in den USA über zehn Millionen Mal verkauften und mit Anthony Perkins verfilmten Roman verarbeitet Heller seine Erfahrungen als Mitglied eines Bombergeschwaders im Zweiten Weltkrieg. Doch das Buch musste auf den nächsten großen amerikanischen Krieg warten, bis es zum Klassiker der US-Literatur avancierte. Beim Erscheinen meinten viele Kritiker noch, so wie hier geschildert sei der Zweite Weltkrieg nicht gewesen. Mit Beginn des Vietnamkriegs aber konnte sich das breite Lesepublikum mit den Erlebnissen der Hauptfigur Yossarian identifizieren. Dass der Krieg eine Situation schafft, in dem allein das Verrückte als normal durchgehen kann – eine Kernaussage des Romans –, gehörte zum Allgemeinwissen der Anti-Vietnam-Protestgeneration, und Yossarian wurde zu einem ihrer Antihelden.
Hellers Buch stellt das große Ganze unter Sinnlosigkeitsverdacht. Egal, was der Held auch unternimmt, sosehr er das Schreckliche auch durchschaut: Er kommt nicht raus aus der Totschlägerreihe des Krieges. Als Rettung bleibt nur der schwarze Humor, den dieses Buch, das wie in einem Brennglas das Bewusstsein einer Generation bündelt, reichlich enthält.
Dirk Knipphals
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