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Das wollig-weiche Gütesiegel

■ An Bildungsmillionen kommt künftig nur, wer ein Gütesiegel hat / Testpremiere brachte weiche Lösung: Wer's nicht schaffte, darf nachliefern

Die letzten haben die Hürde knapp vor Fristende genommen. Jetzt haben alle 16 bislang anerkannten Bremer Weiterbildungträger ein Qualitätssiegel oder mindestens verschärfte Aussicht darauf – und die Bildungsbehörde ein Problem weniger. Denn wie Gerichtsverfahren um Gütesiegel ausgehen, weiß noch niemand. So aber gibt's bis Frühjahr die weiche Lösung.

Nachbessern, genauer: „nachauditieren“, müssen nur das Bil-dungswerk des DGB und die Bremer VHS. Sie bekam Aufschub, weil Zertifizierung und Umbau zum Eigenbetrieb gleichzeitig zu viel waren. Am bescheidensten schnitt beim ersten Zertifizierungsdurchlauf der Verein „Evangelische Familienbildungsstätte“ ab: In 18 Monaten wird dort nachgeprüft – trotz intern gültigem Qualitäts-Check. Schuld sei häufiger Wechsel der pädagogischen Leitung.

Für die „besiegelten“ Einrichtungen gilt offiziell: BremerInnen, die sich für den Bildungsurlaub oder die politische Weiterbildung beim Arbeiterbildungscentrum (ABC), der Wirtschafts- und Sozialakademie der Angestelltenkammer, bei Arbeit&Leben, dem Bildungswerk der DAG oder den Bildungswerken der evangelischen und katholischen Kirchen und anderen anmelden, können gewisse Standards erwarten. Theoretisch.

Die Qualitätsprüfungen betrafen alles, von der Qualität des Unterrichtsmaterials, der Ausstattung der Räume, der Qualifikation des Lehrpersonals über die Effizienz der internen Organisation bis hin zu klaren Beschwerdewegen für unzufriedene KursteilnehmerInnen. Viele Bildungsträger schalteten dazu auch teure, externe Gutachter ein. „Es hat was gebracht“, urteilt der ABC-Chef – „auch wenn niemand gerne eingesteht, dass es vorher Schwachstellen gab.“ Die Beschäftigten vieler Einrichtungen sagen allerdings auch heute noch: „Für uns gibt es keinen Unterschied.“ Ob mangelnde Arbeitssicherheit oder internes Vorschlagswesen, habe sich wenig geändert.

Die Kugel war 1996 ins Rollen gekommen, als die Novellierung des Bremer Weiterbildungsgesetzes einen Schlussstrich unter die Zeiten setzte, in denen galt: Einmal förderungswürdig, immer förderungswürdig. Stattdessen sollten wiederkehrende Prüfungen im Rahmen eines festgelegten Qualitäts-Management-Procederes stattfinden. Dafür gab es europäische ISO-Richtlinien oder kleinerkalibrige Bremer Vorgaben. Nur Bildungsträger die bestanden, sollten an die jährlich rund vier Weiterbildungsmillionen für Bildungsurlaube und politische Bildung gelangen. Nach jetzigem Stand werden das wohl alle die sein, die bisher schon als „anerkannt“ galten.

„Man wollte den Bildungssektor transparenter machen“, so Uwe Mögling, Bremerhavener VHS-Chef, zugleich Vorsitzender des Landesausschusses für Weiterbildung. Immer wieder habe auf dem zunehmend umkämpften Bil-dungsmarkt der böse Vorwurf von „Filzstrukturen“ kursiert – wonach kassierte, wer gute Behördenkontakte hatte. Die Gerüchte gibt es noch – aber eben auch ein geordnetes Prüfverfahren. Aus Sicht der Bildungsbehörde ist Bremen damit – wie Hamburg und das Saarland – Vorreiter. Auch gebe es Brüsseler Überlegungen, wonach Einrichtungen ohne Zertifikat künftig schwerer an EU-Geld kommen sollen.

„Nur wegen der politischen Wirkung“ unterzieht sich dagegen die Bremer Dependance des DGB-Berufsfortbildungswerks der Prozedur, so Chef Egon Brinkmann selbstbewußt. Man habe Aufschub erhalten, weil man ein Siegel nach neuester EU-Norm anstrebe. Das „Bremer Siegel“ gelte nichts in der Welt, Bremer Gelder seien knapp „und bei Bildungsurlaub zahlt man drauf.“ Dem Arbeitsamt, Bremens Mega-Auftraggeber, sei das Siegel zudem egal. Das bestätigt dessen Sprecher. Bildungsträger murren: „Die Bildungsbehörde ist doch selbst nicht zertifiziert.“ ede

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