■ H.G. Hollein: Last Minute
Die Frau, mit der ich lebe, ist sentimental. Das heisst, sie will zu Weihnachten was haben. Da trifft es sich gut, dass es in Hachenburg die „Brigitte-Geschenke GmbH“ gibt. Da ist „rund um die Uhr und auch an Feiertagen“ jemand da und hat „lustige Adventideen“. Den „Türnikolaus“ etwa, „mit Brille, prachtvollem Bart aus Hanf“, und der Kopf – unter einer „tollen Zipfelmütze“ – ist auch noch wattiert. Mit ca. 67x45 cm zu 24,95 Mark ist das schon mal rein flächenmässig sehr günstig. Mit 89 Mark für 43x90 cm pro Quadratzentimeter etwas teurer kommt der „Tischläufer aus feinster Plauener Spitze“, die den „schweren, cremefarbenen Satin“ aus 100 % Polyester einfasst. Den stelle ich mir sehr stimmungsvoll als Unterlage für das „Eichhörnchen Zweierset“ vor. Das ist schließlich „für jeden eine Überraschung“. Etwas persönlicher: das „Besteck Napoleon – sehr nobel“, teilt doch die Gefährtin mit dem Korsen das Gardemass von 1,58 Meter. Zugegeben geringe Neigung hatte ich zur Investition in „festliche Schokoladenfiguren, 70 Stück“. Die macht die Gefährtin doch nur in Nullkommanix hin, und ich darf dann den Rest des Tages Kamillentee servieren. Als von dauerhafterem Bestand empfahl sich da schon die Jahreszeitengans „Anna“. Erstens machen sie „drei wunderschöne, mitgelieferte Garderoben“ zu einem „ungewöhnlich heiteren Blickfang für das ganze Jahr“ – gelber Friesennerz und Südwester für den Herbst, Blümchenumhang und Biedermeierhaube für den Frühling, und das Gleiche noch mal in weihnachtsrot mit weißen Besatz für den aktuellen Anlass. Zweitens dünken mich 149 Mark für eine „frostfeste, fast lebendig wirkende Gans“ nicht unbillig. Sollte die Gefährtin wider Erwarten auf gar nichts anspringen, kann ich ja „alles, was Ihnen nicht zusagt“ innerhalb von 14 Tagen zurückschicken. Aber die Gefährtin wird mich jedenfalls nicht der Einfallslosigkeit zeihen können.
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