: Putzig und paillettenbesessen
Vorbei die Hoffnung, dass das Kino irgendwann zum normalen Schwulsein findet. „Happy Texas“ ist mal wieder bei den albernen Alibi-Tunten angelangt ■ Von Birgit Glombitza
In Happy im Bundesstaat Texas weht ein rauher Wind. Sobald hier zwei Männer mit großformatigen Sonnenbrillen zusammentreffen, darf man gleich den Kader-Aufbau einer Bürgerwehr vermuten. Und wer in solchen Gegenden nicht mindestens eine Waffe im Haus hat, gerät schnell in den Verdacht, sich auch nicht regelmäßig die Hände zu waschen.
Die Frauen des Ortes träumen derweil in ihren pastellfarbenen Küchen davon, dass ihnen nie der Gelierzucker ausgeht, um all diese texanische Rechtschaffenheit samt Familienschutzprogramm für die Ewigkeit einzukochen. So viel kompakter Lokalstolz duldet Verbrechen und Schlampereien ebenso wenig wie unzureichende Mülltrennung. Und all die überfahrenen Gürteltiere auf dem Highway nach Happy bezeugen: Wer als unbedarfter Fremder kommt, geht nicht selten als Zusammengestauchter.
Der Zufall soll den Häftlingen Harry Sawyer (Jeremy Northam) und Wayne Wayne Wayne Jr. (Steve Zahn) ausgerechnet vor dem unseligen Ort Happy die Freiheit schenken. Wenn auch vorerst nur eine, in der sich die beiden als schwule Ausbilder ausgeben müssen, die Talentwettbewerbe für Kinder ausrichten. Eigentlich wollen die zwei schweren Jungs nur schnell noch die Bank des Ortes ausrauben und ihre Flucht fortsetzen.
Doch die Verführungen schnurzbraver Bürgerlichkeit – sei es das Anrührende erwartungsvoller Kinderaugen oder die Aussicht auf eine eigene Kleinfamilie – machen den Kleinganoven einen Strich durch die Rechnung. So verliebt sich Harry in die Bankchefin Josephine (Ally Walker), und der cholerische Wayne entdeckt im Tanztraining verzogener Gören zugleich die therapeutischen Möglichkeiten für die eigenen Verhaltensstörungen. Mit unverhofftem Ehrgeiz bringt er seine Tanzmariechen gar in die Endausscheidung und sich selbst die aufrichtige Bewunderung aller Mütter ein, die ihren Töchtern so viel Ansehnlichkeit gar nicht zugetraut hatten.
Schwule im Film haben meist alle Hände voll zu tun, um einen recht undankbaren Job zu erledigen. Sie müssen nicht nur das vermeintlich Weibliche als Schießbudenzauber ausstellen, sondern meist auch die Aura einer durch und durch tragischen Existenz versprühen, die sich nach dem ganz großen Gefühl sehnt und am Ende doch nur den Kompromiss der Kleinmütigen in den Armen hält (eigentlich eine alltägliche Geschichte, die eine schwule Figur jedoch mit der ganzen Hysterie aussschmücken soll, die man sonst nur von Diven mit trüber Menstruationslaune kennt). Oder sie sterben qualvoll an Aids und erlösen dabei mit jedem weiteren Melanom die kalte Welt von schlimmer Schuld.
So sehnt man sich wieder nach dem Nachlass Derek Jarmans oder nach Filmen, die wie „My Private Idaho“ oder „Priscilla, Queen of the Desert“ zwischen Camp und Mainstream die Pflicht der sexuellen Zuordnungen getrost bleiben lassen und endlich zum Erzählen kommen. Doch mit Joel Shoemachers „Flawless“ kündigt sich fürs Frühjahr schon die Rückkkehr reaktionärer Klamottenkisten an.
Selbst „Happy Texas“, das Debüt von Mark Illsley, hat ein klares Klassenziel für seine Protagonisten: Handzahm sollen sie werden, der einstige Frauenheld Harry oder Wayne, der normalerweise schneller schießt, als er denken kann. Von Anfang an entscheidet sich der Siegerfilm von Sundance für jene äußerst friedfertige Travestie, in der die Moral des Mittelweges als Siegerin nach Punkten hervorgeht.
Schwule bleiben in dieser Independent-Produktion ein putziges Volk, das fettarm einkauft, dünne Nerven hat und abends nach der Arbeit mit Hingabe Pailletten auf irgendwelche Fummel näht.
Ein bisschen schwulsein hingegen soll harten Jungs jenen heilsamen Karneval bescheren, der sie in der geborgten Sexualität über alle angewöhnte Kernigkeit stolpern lässt. Und natürlich sollen sie dabei – so will es die Moral der PC-Stammler und Volksschullehrer – die weichere bessere Seite in sich umarmen lernen.
Ohne einen Verrat ist so viel genügsame Indifferenz auch in „Happy Texas“ nicht zu haben. So verscherzt der Film es sich am Ende vor lauter zusammengekegelter Komik mit seinem einzigen wirklichen Helden Chappy Dent (William H. Macy). Ein schnauzbärtiger, schwuler Sheriff, der sich nicht nur zum Coming-out, sondern auch zu einer waghalsigen Rettungsaktion ein Herz fasst. „Happy Texas“ belächelt diesen Tapferen jedoch so säuerlich wie einen Dackel, der einem gerade auf die Tagesdecke gepinkelt hat. Und das sitzt am Ende tiefer in Chappys Schulter als der Steckschuss aus der Knarre wütender Bankräuber.
„Happy Texas“. Regie: Mark Illsley. Mit: Jeremy Northym, Steve Zahn, William H. Macy, Ally Walker, Ileana Douglas u.a. USA 1999. 98 Minuten.
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