: Auge in Auge mit dem Grundgesetz
■ Die Schau über das Grundgesetz zeigt eigentlich die Geschichte der BRD / Kritik an der Verfassung ist kaum Thema
Eigentlich ist es schon 51 Jahre alt. Die Wanderausstellung „In bester Verfassung?!“, die ab morgen im Rathaus zu sehen ist, feiert dennoch „50 Jahre Grundgesetz“. Das liegt daran, dass Bremen schon die siebte der zehn Stationen ist, an der die Schau zu sehen ist.
Ein ehrgeiziges Ziel hatten sich die Bundesrechtsanwaltskammer und die Bundeszentrale für politische Bildung gesetzt, als sie sich daran machten, die Geschichte einer Verfassung ausstellbar zu machen. Sie entschieden sich für ein dreiteiliges Konzept: In einem inneren Rundgang können Verfassungsgebung und -entwicklung ereignisgeschichtlich nachvollzogen werden. Wichtige Weichenstellungen, Wendepunkte und Nagelproben für die Buchstaben des Gesetzes ebenso wie für die Verfassungswirklichkeit werden in kurzen Texten rekapituliert und mit Exponaten illustriert: Die Beratungen des Parlamentarischen Rates, die Wiederbewaffnung, das KPD-Verbot, die Einschränkung des Asylrechts oder die ersten out-of-area-Einsätze der Bundeswehr.
Kernfragen wie die Debatte um eine neue Verfassung nach der Wiedervereinigung oder die Kampagne für Volksentscheide auf Bundesebene werden jedoch allenfalls am Rande gestreift.
Da staatsrechtliche Vorgänge sich wenig zur sinnlichen Erfahrung eignen, weichen die Ausstellungsmacher immer wieder auf geschichtliche Ereignisse aus, die mit dem Grundgesetz allenfalls mittelbar zu tun haben, aber dafür wesentlich attraktiver darzustellen sind: ein altes Radio steht für Deutschlands WM-Sieg 1954, ein RAF-Flugblatt für den heißen Herbst und die Fahne der „Republik Freies Wendland“ mit Zwillen und Polizeiknüppel für die Bürgerbewegungen der 80er Jahre. Dadurch wird die Ausstellung optisch deutlich aufgelockert, droht aber ihr Thema aus den Augen zu verlieren: Der innere Teil könnte auch ganz allgemein die Geschichte der Bundesrepublik darstellen. Laut Konzeption steht er für die Verfassung als „demokratisches Rückgrat“ der deutschen Gesellschaft.
Radial gehen davon ihre „Rippen“ ab: Die einzelnen Grundrechte prangen in großen Lettern über riesigen Fotos, die der Illustration dienen sollen. Das gelingt nicht immer: Aktenstapel für die Gleichheit vor dem Gesetz oder ein brüllendes Baby für die freie Meinungsäußerung sind von begrenzter symbolischer Kraft.
Zwischen beiden Bereichen eingestreut finden sich einzelne Säulen. Auf ihnen werden Personen vorgestellt, deren Wirken für die Verfassungsentwicklung bedeutend war. Die meisten von ihnen sind AnwältInnen – vielleicht eine kleine Konzession an die mitveranstaltende Anwaltskammer.
In Bremen wurde die Ausstellung um einige Exponate aus dem Staatsarchiv ergänzt: In einer gesonderten Vitrine kann die Unterschrift von Bürgermeister Wilhelm Kaisen unter das Grundgesetz ebenso bestaunt werden wie eine Eingabe des „Bremer Frauenausschusses“, der das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in den Grundrechten verankert wissen wollte – 1948 ohne Erfolg. not
„In bester Verfassung?! 50 Jahre Grundgesetz.“ Untere Rathaushalle. 8. Januar bis 3. Februar, täglich von 10 bis 18 Uhr. Eintritt Frei.
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