■ H.G. Hollein: Werke und Tage
Der Arbeitstag, den hinter mich zu bringen ich mich genötigt sehe, will kulinarisch ausgewogen begleitet sein. Dafür ist denn auch gesorgt. Das Büro, in dem ich täglich sitze, liegt zweieinhalb Kilometer von meinem Heim entfernt, mithin die ideale Strecke für den Verzehr von zwei Brötchen und einer Frikadelle. Deren Zubereitung obliegt seit vielen Jahren dem emsigen Händeverbund der Familie K. im Feinkostladen an der Ecke. So mümmele ich dann kräftig fürbass schreitend vor mich hin. Ich könnte natürlich auch den Bus nehmen, aber das hat Nachteile. Erstens ist die Nahrungsaufnahme an Bord verpönt, zweitens käme ich dann zu früh. Kollegin G. kocht nämlich einen ausgezeichneten Kaffee. Und der wäre noch nicht fertig, wenn ich den Bus nähme. Und so setze ich mich dann an meinen Schreibtisch und beginne den Arbeitstag mit der philosophischen Einsicht: „Was gibt es schöneres als die erste Tasse Kaffee und die erste Zigarette?“ G. fügte dem unlängst recht unvermittelt ein dröhnendes „Und dann erstmal ordentlich kacken!“ hinzu. G. hatte für mich schon immer etwas von einem Landsknecht. Mittags bin ich dann bereit für Kakao und Kekse von der gegenüberliegenden Tankstelle. Das hält vor bis circa 15 Uhr. Ab da zieht es mich unweigerlich in die Küche des ersten Stocks. Dort pflegt Kollege K. die Kuchenbleche seiner Mutter abzulegen, die – Gott hat es so gewollt – eine begeisterte Hobby-Bäckerin ist. Gegen 17 Uhr schließlich pflege ich die Gefährtin anzurufen, um mit ihr die Speisenfolge für den Abend zu besprechen. Ich finde es trotzdem ungerecht, dass ich in sechs Jahren neun Kilo zugenommen habe.
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