: Stündlich Funkprobleme
■ Smart Info soll den Fahrgästen anzeigen, wann die nächste Straßenbahn kommt / Das geht im Moment allerdings schief: Minuten werden zu Stunden
Samstag nacht: Schauer, Wind und Regen. In zwei Minuten sollte der Nachtbus fahren. Das verspricht zumindest die digitale Anzeige am Bahnhof. Aber der Nachtbus kommt nicht. Nicht in zwei Minuten. Nicht in zehn Minuten. Trotzdem: Eine geschlagene Viertelstunde lang behauptet die Anzeige, der Bus kommt in zwei Minuten. Dann springt der Zähler plötzlich auf drei Minuten. Steht minutenlang still. Springt dann auf Null. Der Bus ist immer noch nicht da.
Es scheint als gingen die Uhren bei der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) irgendwie anders als die meisten. Tatsächlich laufe der Computer nach einer gewissen Zeit „nicht im Takt“, bestätigt der Sys-temtechniker Hans-Michael Pille. Zum Teil soll der Computer gar alle zwei Stunden Fehler produzieren. Und dann stehen die Anzeigen, „smart info“ genannt, erst mal still. Und verharren minutenlang bei alten Werten. „Besonders ärgerlich ist natürlich, wenn da steht, dass der Bus in zwei Minuten kommt, er aber schon vor vier Minuten abgefahren ist,“ erklärt Pille.
Das Ärgernis hält sich allerdings schon seit November ganz wacker auf den Displays. Denn da wollten die Techniker von der BSAG die „Komfortmerkmale“ der Anzeigen ausreizen. Sprich: Mehr Infos auf die Anzeigentafeln bringen. Und seitdem ist der Computer der BSAG schlicht überlastet.
Was für Datenstau sorgt, sind die Anzeigen für die letzten 59 Sekunden vor der Ankunft der Bahn. Statt „0“ sollen vier Querstriche signalisieren, wenn die Straßenbahn herannaht, drei Striche, wenn sie um die Ecke biegt, zwei Striche ... beim letzten Strich sollte sie schließlich da stehen. Aber das, was ursprünglich als „Knall-Bonbon“ für die Fahrgäste gedacht war, haute einfach nicht hin. Die Anlage, urteilt Pille salopp, habe sich dabei an „zu vielen Informationen verschluckt“.
Wo es genau hakt, ist die Weiterleitung vom Computer auf die Anzeigetafeln. Zwar wird das Computersystem automatisch heruntergefahren und neu gestartet, aber nicht immer stimmten dann die Grunddaten für die Steuerung der Anzeigen. Datenbankprobleme seien schuld an der Info-Misere für die Fahrgäste.
„Die Alternative wäre gewesen, die Anlagen ganz abzuschalten“, meint Pille. Und das wollte man bei der BSAG nicht. „Wir möchten die Infos an die Kunden weiterreichen.“ Und tagsüber fielen die Fehler gar nicht so auf – da ist der Takt hoch und die nächste Bahn flugs wieder im Anmarsch. Nur abends sind die Wartezeiten länger, und dann schlagen die Fehler zu Buche.
Dabei ist eine funktionierende Anzeige wirklich sinnvoll: Ungefähr alle zwanzig Sekunden funken Straßenbahnen und Busse den Zentralcomputer an und informieren wo sie gerade stecken. Das ist praktisch, weil es keinen Strom braucht und die Bahnen und Busse sowieso über eine Sprechfunkanlage verfügen. Die Meldungen werden dann mit den Solldaten des aktuellen Fahrplans verglichen. Und eine „Viertelminute“ später sollten Verspätung und pünkliche Bahnen auf den Displays angezeigt werden. Mit dem Funksystem war Bremen 1992 in Deutschland das erste. Mittlerweile ziehen andere Städte nach.
Bis Ende des Monats will die BSAG die Computerprobleme in Griff kriegen. Die zusätzlichen Infos der Querstriche sollen dann wegfallen. Es bliebe bei den reinen Minutenangaben. Vielleicht muss auch ein neuer Rechner her. Außerdem sollen die Wartehäuschen der BSAG in Zukunft „beschallbar“ sein. Das heißt: Sollte die Straßenbahn im Graben liegen, würde per Lautsprecher die Verspätung durchgesagt. Und zwar Tag und Nacht. In den nächsten acht Wochen soll das eingerichtet werden. Und in vier bis fünf Jahren sollen die Lautsprecher und Smart Infos an allen Haltestellen vorhanden sein. Im Moment sei das aber noch eine „Geldfrage“. pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen