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Tee beim Autokraten

Das Regime von Mahathir Mohamad hält Malaysias Medien an der kurzen Leine. Jetzt droht dem letzten oppositionellen Blatt das Aus

Kuala Lumpur (taz) –Die Medien haben uns keine Chance gegeben“, klagt Wan Azizah Wan Ismail, Chefin der oppositionellen „Nationalen Gerechtigkeitspartei“ und Ehefrau des in Ungnade gefallenen und zu sechs Jahre Haft verurteilten früheren malaysischenVizepremiers Anwar Ibrahim. „Und wenn sie über uns schrieben, dann nur falsch und verzerrt.“

Malaysias Presse ist in einem traurigen Zustand. Die Regierung in Kuala Lumpur wacht scharf über die Medien. Die Koalition des autokratischen Premiers Mahathir Mohamad konnte mit Hilfe regimetreuer Berichterstatter bei den Wahlen im November 1999 wieder zwei Drittel der Parlamentssitze gewinnen.

Für das internationale Komitee zum Schutz von Journalisten zählt Malaysia heute zu den zehn für Journalisten gefährlichsten Ländern der Welt. Betroffen sind dabei nicht nur einheimische Reporter: Im September verurteilte ein Gericht in Kuala Lumpur einen kanadischen Korrespondenten der Far Eastern Economic Review wegen „Missachtung des Rechtswesens“ zu sechs Wochen Haft.

Die meisten Zeitungen und Rundfunksender gehören ohnehin Mahathirs Umno-Partei oder ihr nahe stehenden Unternehmen. Um Redaktionen an der kurzen Leine zu halten, werden „Teerunden“ einberufen und den Journalisten „die aktuellen Entwicklungen erklärt“, wie ein Redakteur ironisch berichtet. Die Folge: vorauseilender Gehorsam, für Selbstzensur sorgen zudem Gummiparagrafen. So kann nach dem „Internen Sicherheitsgesetz“ jeder ohne Gerichtsverfahren auf Jahre eingesperrt werden, und das „Gesetz über Druck und Publikationen“ zwingt Verleger, jedes Jahr eine neue Lizenz zu beantragen.

Der Entzug dieser überlebenswichtigen Lizenz droht derzeit gleich fünf Blättern. Gegen den Star, die größte englischsprachige Zeitung des Landes, laufen zwei Verfahren wegen angeblicher Verleumdung mit hohen Schadensersatzforderungen, die das Blatt mundtot machen sollen. Ein Kläger ist Mirzan Mahathir, der geschäftstüchtige Sohn des Premiers. Der Günstlingswirtschaft bezichtigt, fordert er über 60 Millionen Dollar Schadenersatz. Pikanterweise geht es gar nicht um einen Artikel aus dem Star, der Texte wurden nur von der Star-Druckerei für die Asien-Ausgeabe des Wall Street Journal gedruckt.

Trotz aller Repressalien versuchen JournalistInnen immer wieder Kritisches zu veröffentlichen, vor allem auf den hinteren Seiten. So erschien im Flaggschiff der Umno, der New Straits Times, zu Beginn des Gerichtsverfahrens gegen Ex-Vizepremier Anwar ein vieldeutiger Artikel über Franz Kafkas „Prozess“.

Weil den meisten Zeitungen wegen ihrer angepassten Berichterstattung die Leser davonlaufen, hat sich jetzt das Parteiorgan der islamistischen PAS-Partei, Harakah, zum inoffiziellen Blatt der Opposition gemausert. Die Auflage stieg seit 1998 von 60.000 auf 360.000 Exemplare. „Es ist die einzige Zeitung, in der ich völlig frei schreiben kann“, sagt der renommierte Journalist Rustam Rani, der anderswo nicht mehr gedruckt wird. Nun versucht die Regierung, auch Harakah einzuschüchtern. Ab März soll das Blatt nur noch an Parteimitglieder verkauft werden dürfen. Und vergangene Woche wurden der Chefredakteur und der Drucker vorübergehend verhaftet. Ihnen drohen jetzt wegen des Abdrucks eines kritischen Artikels bis zu drei Jahren Haft. Jutta Lietsch

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