: „Lothar“ hat regelrechte Raubritter angelockt
Nach dem Orkan im Dezember dauern die Aufräumarbeiten noch an. Geschädigte Waldbesitzer werden von kommerziellen Waldbaufirmen kräftig zur Kasse gebeten
Augsburg/Krumbach (taz) – Der Sturm ist längst vorbei, aber für die Waldbesitzer und -arbeiter dauert der Schrecken noch an. Knapp einen Monat, nachdem Orkan „Lothar“ über Südwestdeutschland hinweggefegt ist, Schäden in Milliardenhöhe hinterlassen und insgesamt mindestens 50 Menschen das Leben gekostet hat, sind die Aufräumarbeiten längst nicht beendet. Und allein in Bayerisch-Schwaben sind dabei bislang weitere drei Waldarbeiter ums Leben gekommen.
Viele staatliche Forstämter sehen sich und vor allem die privaten Waldbesitzer mit der Aufgabe überfordert und bieten Schulungen an. Im dichtbewaldeten, schwer zugängliche Staatsforst von Krumbach demonstrieren Hubert Forstner vom Staatlichen Forstamt und Forstwirtschaftsmeister Josef Krausenböck vor 15 Waldbesitzern aus der Umgebung die Schwierigkeiten des sogenannten Windwurfs: „Wenn man einen Baum auf der falschen Seite ansägt, und er fällt, ist das extrem gefährlich.“ Dass die Mahnung nicht aus der Luft gegriffen ist, belegen die drei Todesfälle: Ein Waldbesitzer aus der Nähe von Friedberg wurde zwischen zwei Bäumen zerquetscht, zwei Waldarbeiter erlitten so schwere Verletzungen durch fallende Stämme, dass sie kurz darauf starben.
Selbst Fachmann Krausenböck muss nach der Ansägedemonstration zur Seite springen – die unter Spannung stehende Fichte schießt in die Höhe. „Wenn man merkt, der Kopf lässt nach, muss man eine Pause machen“, sagt er. Nach 30, 40 Bäumen komme „man eventuell in einen Schlendrian rein“, und der könne dann tödlich werden.
Zeit ist etwas, wovon die privaten Waldbesitzer nicht allzu viel haben. Sie sind in der Regel hauptberuflich Landwirte. „Lothar“ habe sie dreimal so schlimm getroffen wie die bisherige Rekordhalterin „Wiebke“ im Jahr 1990, berichten stellvertretend für viele andere Franz Fleischer und Johann Wachter. „Die Bäume waren 100 bis 120 Jahre alt. Drei Generationen haben das aufgeforstet, und jetzt ist alles kaputt.“
Jetzt kommt freilich zu all der Unbill weiterer Ärger hinzu. Denn einige der kommerziellen Waldbaufirmen nutzen die Gelegenheit und versuchen, aus der Not der Waldbauern zusätzlich Kapital zu schlagen. Manche haben ihre Preise um das Doppelte und mehr heraufgeschraubt. Ludwig Mayer vom Forstamt Krumbach spricht von regelrechten „Raubrittern“ und rät den Waldbesitzern, sich bei den Forstämtern beraten zu lassen.
Klaus Wittmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen