: Flexible Arbeit statt mehr Stunden
■ Bildungsexpertin der Grünen fordert gerechtere Verteilung der Lehrerarbeitszeit durch Jahreskonten. 45-Minuten-Takt soll abgeschafft werden. Mehr Kooperation gefordert
Hat Schulsenator Klaus Böger wirklich alle Möglichkeiten durchdacht, als er die Erhöhung der Arbeitsstunden für Lehrer angekündigt hat? Denn es gibt durchaus Alternativen: Anstatt pauschal alle 30.000 LehrerInnen zu einer Stunde mehr Unterricht zu verpflichten, könnte die Arbeitszeit grundsätzlich neu geregelt und auf diese Weise mehr Gerechtigkeit und Effektivität geschafft werden.
Momentan geben die LehrerInnen zwischen 23 und 27 Unterrichtsstunden. An der Grundschule sind es 26,5 Pflichtstunden, in der Hauptschule 25,5 und an Gymnasien und Gesamtschulen jeweils 23. Dazu kommen Vor- und Nachbereitungszeiten, Konferenzen, Elternabende (siehe unten).
Diese Arbeitszeit ist nämlich von LehrerIn zu LehrerIn sehr unterschiedlich: Die Gesamtarbeitszeit liegt einer Untersuchung an der Freien Universität zufolge zwischen 34 und 59 Wochenstunden.
Die Sprecherin der Bundesbildungsarbeitsgemeinschaft der Grünen, Sybille Volkholz, plädiert dafür, ein Jahresarbeitszeitmodell einzuführen und den 45-Minuten-Unterrichtstakt zu Gunsten eines Stundentakts abzuschaffen. Durch eine bessere Kooperation in der Lehrerschaft könnte die Arbeit rationalisiert und gerechter verteilt werden.
Volkholz, die unter der rot-grünen Koalition in Berlin Schulsenatorin war, schlägt vor, dass zukünftig die Jahresarbeitszeit des öffentlichen Dienstes zu Grunde gelegt und unter Verrechnung der Ferien auf die verbleibenden Schulwochen verteilt wird. Da die Lehrer 12 unterrichtsfreie Wochen haben, würde das eine Wochenarbeits-zeit von rund 42 Zeitstunden bedeuten.
Über ein Drittel sollen die LehrerInnen individuell verfügen können, also Arbeiten korrigieren und den Unterricht vorbereiten. Die restlichen zwei Drittel der Stunden soll die Schulleitung verteilen. Innerhalb dieser Bandbreite sollten die LehrerInnen je nach Unterrichtsfach zwischen 17 und 23 Zeitstunden unterrichten. Die verbleibende Zeit könne für individuelle Schülerbetreuung, Konferenzen und Engagement in der Schule verwandt werden.
Das bedeute, so Volkholz, dass es eine gerechtere Verteilung zwischen hoch Belasteten und denen gebe, die heute weniger arbeiten als die 37,5 Stunden im öffentlichen Dienst. „Die Schule kann wesentlich flexibler gestalten, ob eine LehrerIn mehr unterrichtet oder sich während der Arbeitszeit um die Weiterentwicklung der Schule kümmert.“
Bei diesem Modell sei es von Bedeutung, dass der 45-Minuten-Takt abgeschafft werde – der größten Behinderung einer Schulreform, wie sie meint. Der Unterricht müsse in zeitlich variableren Einheiten organisiert werden können. Beispielsweise brauche Projektunterricht längere zusammenhängende Arbeitsphasen als Mathematikunterricht.
Der Unterricht könnte auch effektiver gestaltet werden, wenn es mehr Teamarbeit gebe. „Kooperation ist für viele Kollegen leider ein Fremdwort“, moniert Volkholz. Vielfach bereiteten hoch bezahlte Studienräte ihren Unterricht individuell anstatt kollektiv vor, obwohl sich das Ergebnis nicht groß von denen der Kollegen unterscheide. Kein Betrieb könne sich einen so ineffektiven Arbeitseinsatz seiner MitarbeiterInnen leisten.
Außerdem sei es sinnvoller, statt der Vielzahl von Klassenarbeiten und Klausuren mehr Zeit für die Nachhilfe und Unterstützung von SchülerInnen bereitzustellen. Julia Naumann
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