: Lernen, dass es ohne Gebühren nicht geht
■ Die Christ- und die Sozialdemokraten stellten in Berlin und Bonn ihre bildungspolitischen Leitlinien vor. Weit entfernt sind sie nicht voneinander. Einig sind sie sich etwa über Studiengebühren – nur sagt das noch niemand
Berlin/Bonn - Mit solchen Reaktionen musste gerechnet werden. Eier hageln auf die Regierungspartei. Nur mit Mühe kann sich der Bundeskanzler seinen Weg durch die Massen empörter Studierender bahnen. „Studiengühren, nicht mit uns“, fordern sie.
So hätte es sein können, war es aber nicht. Keine Transparente, keine Pfiffe, keine aufbegehrenden Studenten störten die rund 1.000 Teilnehmer, die sich gestern auf Einladung der SPD im Bonner Hotel Maritim zu einem Bildungskongress trafen. Motto: „Auf dem Weg in die lernende Gesellschaft“.
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Die CDU schnalzt derweil in der Berliner Mauerstraße mit dem Finger. Auch die krisengeschüttelte Partei will etwas zur Bildung sagen – und nur dazu. „Ich habe mir heute einen affärenfreien Tag genommen“, wehrt Annette Schavan in der CDU-Geschäftsstelle Fragen nach Kohls Kassen ab. Die Kultusministerin Baden-Württembergs sagt, sie freue sich „auf den bildungspolitischen Wettbewerb mit der SPD“. Das wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen, denn der originelle Titel der bildungspolitischen Leitsätze der CDU lautet, ähnlich dem der SPD: „Aufbruch in die lernende Gesellschaft“.
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Viele schöne Worte hatte der Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen Zuhörern mitgebracht. „Die Zeiten, dass die Hochschulpolitik des Bundes wie in den letzten zehn Jahren vernachlässigt wird, sind endgültig vorbei“, verkündete er. Die sozialdemokratische Politik auf Landes- und Bundesebene sei es, die dieses zentrale Zukunftsthema wieder in die Debatte zurückgebracht hat. Das „Leitbild sozialdemokratischer Bildung“, der „Gleichklang von Chancengerechtigkeit und Leistungsforderung“ sei nach wie vor aktuell.
Gerade die neue Haushalts- und Konsolidierungspolitik der Bundesregierung eröffne Studierenden neue Chancen. Schröder warb für die jetzt vereinbarte Bafögreform, die seinen Finanzminister 500 Millionen Mark zusätzlich kosten wird. Das von ihm gekippte Sockelmodell a la „Bafög für alle“ erwähnte der Kanzler mit keinem Wort mehr. Es ist offensichtlich ad acta gelegt. Studiengebühren lehnte Schröder in seiner Rede ab – jedenfalls für das Erststudium.
Sein Parteifreund Jürgen Zöllner, Bildungsminister von Rheinland-Pfalz, hat gerade ein „Studienkonto“ vorgestellt, das dem Gebührenmodell Baden-Württembergs sehr ähnelt. Dort dürfen 14 Semester gebührenfrei studiert werden, dann wird bezahlt. Zöllner dagegen will eine bestimmte Zahl Vorlesungen und Seminare gebührenfrei halten.
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Anette Schavan will die diffizilen Leitsätze der CDU in eine klare Botschaft gießen. Drei Schwerpunkte wünscht sie zu setzen, damit Deutschland wieder „das modernste Bildungsssystem Europas“ bekommt: Erstens die Weiterbildung (lebenslanges Lernen), zweitens Qualitätssicherung (Lernenerfolge müssen messbar werden), drittens Internationalisierung (Fremdsprachen ab der ersten Klasse). Das ist die Theorie der lernenden Gesellschaft, doch danach fragt Frau Schavan niemand. Es geht sofort ums Geld.
„Wollen Sie die Ausgaben für die Hochschulen verdoppeln – oder die Zahl der Studierenden halbieren“, stößt ein Journalist die Kultusministerin auf das offenbare Problem: Den Unis fehlt es an allem, was studieren leicht macht: Professoren, Bücher, Computer.
Frau Schavan gibt auf die einfache Frage eine komplizierte Antwort: Erstens plädiere sie dafür, die Bildungsausgaben kontinuierlich zu erhöhen. Sie sollen von derzeit 80 Milliarden auf 100 Milliarden Mark jährlich klettern. Zweitens müsse für das Bafög ein gerechter und zukunftsfähiger Ansatz gefunden werden. Der beste sei der, den SPD-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn gerade von der Union übernommen habe.
Drittens, mäandert Schavan weiter, „muss auch überlegt werden, wie ein finanzielles Gesamtkonzept aussieht, das nicht allein auf staatlicher Finanzierung fußt“. Und? Wie geht das? Was ist das? Die eloquente Politikerin nimmt das Wort, auf das es hier ankommt, zwar kein einziges Mal in den Mund: Studiengebühren. Die Bundes-CDU aber hat erstmals beschlossen, die maroden Hochschulfinanzen auch mit Hilfe der Studenten zu sanieren.
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Die SPD erntet derweil Enttäuschung. Die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Hochschule der Grünen, Sabine Kiel, ist verärgert. Die SPD habe mit dem Rückzug der angekündigten Generalreform des Bafögs „massiv an Glaubwürdigkeit verloren“.
Nicht anders geht es den bildungspolitischen Vorstellungen der CDU.
Verärgert fragt die Bildungsgewerkschaft GEW, wie sich die CDU „in ihrer größten Glaubwürdigkeitskrise“, der Spendenaffäre, für Werteerziehung an der Schule stark machen könne. Und Frau Schavan gab gestern genau so verärgert zurück: „Die CDU kann glaubwürdig Werte fordern, weil es in der CDU viele gibt, die sich an Gesetze halten.“ C. Füller/P. Beukker
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