Pampuchs Tagebuch: Meine absolut weiße virtuelle Kasse
In unserer in unregelmäßigen Abständen erscheinenden Serie „Der gläserne Kolumnist“ gebe ich heute aus gegebenem Anlass einen Zwischenbericht aus meiner Finanzverwaltung. Klar ist, dass die Wahrheit dabei nur schäubchenweise ans Licht kommen wird. Einmal weil das gängige Praxis ist, und zweitens weil es ja sonst keine Serie wäre. Im Übrigen wissen wir aus Presse, Film, Funk und Fernsehen, dass Serientäter weitaus spannender sind als fade One-Night-Crimes. Nur so können Leser langfristig gebunden werden.
Ich räume also ein, dass ich heute auf meiner Bank – der BFG – war, um ein mittelkleines Sümmchen, das ich vor langen Jahren zur Sicherung meines Alters auf irgend so einem Depot in Obligationen angelegt hatte, wieder neu in den Gewinn bringenden Kapitalkreislauf einzuschleusen. Erstaunt musste ich feststellen, wie viel sich doch geändert hat. Als ich vorsichtig nach festverzinslichen Posten fragte, lächelte die junge, freundliche „Handlungsbevollmächtigte“ nur milde. Schon am Telefon, als wir unseren Termin verabredeten, hatte sie mir von leckeren „Aktienfonds im Internetbereich“ vorgeschwärmt. Das schien mir genau das Richtige. Nun, an ihrem Schreibtisch, führte mich Frau V. in die Welt des Investments ein.
Die Internetfonds waren leider schon weg. Frau V. aber wusste Rat und empfahl mir den „BFG Garant Top Tech Basket“, in dem von Nokia über SAP bis IBM und Microssoft so ziemlich alles versammelt ist, was einen schneidigen Aktionionär heutzutage zum Träumen bringt. 20 bis 30 Prozent Gewinn seien locker drin, aber ich nahm meiner Beraterin erst mal den Schwur ab, dass auf keinen Fall Waffengeschäfte mit meinem Geld gefördert würden. Nicht ohne Grund habe ich ja schließlich eine Gewerkschaftsbank zu meinem Kapitalsachwalter gewählt. Doch auch diese Bank bietet ihren Kunden inzwischen Kapitalismus mit Netz: Über das Auf und Ab meines Paketes könne ich mich online ständig auf dem Laufenden halten. „Sie haben doch Internet, da brauchen Sie nur bei www.bfg-invest.de hineinzuschauen.“ Schließlich gab mir Frau V. noch ein paar ansprechende Fotokopien mit auf den Weg, wobei mich besonders die Losung „Zeigen Sie ihrem Geld die Welt – es kommt garantiert zurück!“ überzeugte. Ich konnte es kaum erwarten, als frisch gebackener global player meine persönliche Beratungshomepage zu konsultieren.
Stunden saß ich vor bfg-invest und versuchte in die Geheimnisse der verschiedenen Fonds einzudringen. „Eine individuelle Typberatung lohnt sich immer!“, wurde mir erklärt. Und: „Jeder Mensch hat seinen eigenen Kopf. Erst recht, wenn es ums Geld geht.“
Wie wahr. Vielleicht hätte ich Frau V. meinen eigenen Kopf deutlicher darstellen sollen. Dann hätte sie mir vielleicht auch von „Lux Invest Ökolux“ erzählt. „Saubere Gewinne für Sie und die Umwelt“, hieß es da. Dafür garantieren Nokia, AOL und die anderen üblichen Verdächtigen – zusammen „4 % „alternative Energien“. Profit ohne Reue.
Den „Top Tech Basket“ werde ich mir jedenfalls noch genauer ansehen. Wenn ich schon den Sündenfall vom festverzinslichen zum vagabundierenden Onlinekapital mitmache, dann zu meinen Bedingungen. Morgen gehe ich noch mal zu Frau V. Und ab dann werde ich mein Paketchen im Netz beaufsichtigen. „Professionelle Vermögensverwaltung“ ist das Gebot der Stunde, online und mit einer virtuellen Kasse. Wie kann man nur schwarze Kassen benutzen? Muss wohl an den Typen liegen.
Thomas Pampuch
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