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Keine Zeit für Gesetze

Ausländerbehörde schiebt Armenier getrennt von seiner Familie ab und verschweigt der Bürgerschaft seine Petition  ■ Von Heike Dierbach

Die letzte Hoffnung währte 35 Minuten – und war vergebens. Um 11 Uhr 40 gestern Vormittag startete das Flugzeug und trennte Adam P. von seiner kranken Frau und seinen Kindern: Die Ausländerbehörde schob den armenischen Flüchtling allein und trotz laufender Petition ab.

Damit verstößt die Behörde erneut gegen die „politische Verständigung“, die GAL und SPD im Juli 1999 nach einer handfesten Koalitionskrise erzielt hatten. Diese sieht vor, dass „Familienangehörige nur noch zusammen abgeschoben werden“. Ausnahmefälle seien nur nach „sensibler Prüfung“ zulässig. Die sei bei Adam P. erfolgt, behauptet der Sprecher der Ausländerbehörde Norbert Smekal. Dabei habe zum Beispiel eine Rolle gespielt, dass die Passersatzpapiere der Familie in zwei Wochen ablaufen. Die P.s leben seit 1995 in Hamburg, die Mutter und der 13-Jährige Sohn sind laut vorgelegten Attesten krank und nicht reisefähig.

Den Termin für die Abschiebung hatte die Familie am Mittwoch von der Behörde erfahren, die Adam P. wegen „Zweifel an der Ausreisebereitschaft“ auch gleich verhaften ließ. Nach Vorliegen der Atteste legte die kirchliche Hilfsstelle „fluchtpunkt“ gestern um 11 Uhr 5 bei der Bürgerschaft eine Petition für Adam P. ein. Diese erreichte auch die Ausländerbehörde. Die leitete sie aber nicht wie vorgesehen an den Petitionsausschuss weiter: Dessen Vorsitzender, der CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke, erfuhr erst gegen 13 Uhr 30 durch die Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl von der – mittlerweile obsoleten – Eingabe: „Ein unakzeptabler Umgang mit der Legislative“, schimpft Klimke, „eine Missachtung parlamentarischer Rechte“, findet der GAL-Obmann im Ausschuss, Mahmut Erdem. Dabei hat der Petitionsausschuss für Fälle wie den von Adam P. eigens eine Schnellkommission gebildet.

Uhl und Erdem waren von fluchtpunkt direkt über die Eingabe informiert worden. Erdem forderte daraufhin bei der Behörde den Stopp der Abschiebung: Ohne Erfolg. Behördensprecher Smekal hat für den ganzen Vorgang vor allem eine Erklärung: Die 35 Minuten seien zu knapp gewesen, um Adam P. noch „aus dem Flugzeug zu holen“. Nach Informationen von Uhl saß der Armenier aber bis 11 Uhr 30 noch nicht in der Maschine. Sie fordert die Regierungsfraktionen nun auf, das „auf-der-Nase-Tanzen“ der Behörde „wirksam zu sanktionieren“ – zum Beispiel, indem Flüchtlinge zurück geholt werden.

„Rechtlich nicht möglich“, meint Erdem. Er wolle aber ein Gespräch mit Innensenator Hartmut Wrocklage (SPD) fordern. Die migrationspolitische Sprecherin der GAL, Christa Goetsch, will nachfragen, wie Familien über den Termin ihrer Abschiebung informiert werden. Dass die P.s aber ausreisen müssen, „darauf müssen sie sich einstellen“.

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