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Traum oder Albtraum?

Spanische Timesharing-Anbieter umgehen die neuen, strengeren Gesetze mit dem Verkauf von „Holiday packs“: Kürzere Laufzeit, dieselben Probleme ■ Von Uschi Hufenreuter

Mitten im kalten, tristen, mitteleuropäischen Winter auf Inseln fliegen zu können, die den „ewigen Frühling“ mit sommerlichen Temperaturen garantieren, das ist der Traum vieler Menschen. Und er ist sogar realisierbar, denn die Kanaren sind nach vier Flugstunden erreicht und die Preise im Vergleich zur Karibik erschwinglich. Auf diesen Inseln ist Urlaubshochsaison über die Wintermonate bis ungefähr Pfingsten, danach locken wieder die näher liegenden Mittelmeergebiete. Die Kanaren gehören zu Spanien und es ist nicht nur der Deutschen zweitliebstes Urlaubsland, hier hat sich auch die Mehrzahl der europäischen Timesharing-Anbieter niedergelassen. Timesharing, in unseren Gefilden auch als Ferien- oder Teilzeitwohnrecht bekannt, sorgt seit Jahren für Schlagzeilen meist negativer Art und beschäftigt unablässig Verbraucherzentralen und Rechtsanwälte.

Das Prinzip Timesharing („Zeitteilung“) ist ganz einfach: Die vorhandenen Jahreswochen einer entsprechenden Ferienanlage werden unter verschiedenen Urlaubern geteilt. Die Mitglieder erhalten mit der gezahlten Kaufsumme dann das Recht, für eine oder mehrere Wochen im Jahr Urlaub zu machen. Diese Mitgliedschaft erstreckt sich meist auf Zeiträume zwischen 50 und 80 Jahren. Die Ferienwohnrechte sind vererbbar, können auf Dritte übertragen und weltweit getauscht werden. Letzteres mit Hilfe der zwei weltweit agierenden Tauschpools RCI (Resort Condominiums International) und I I (Interval International). Abhängig ist dies wiederum unter anderem vom Tauschwert des eigenen Ferienwohnrechts („Sterne“-Kategorie) und der Saison, die man erworben hat. Klingt gar nicht übel oder?

Aber Vorsicht, denn mit der Kaufsumme allein ist es nicht getan. Erst mit der kompletten Begleichung des vertraglich notierten Preises darf das System Timesharing voll genutzt werden. Und dieser Preis selbst bewegt sich gegenwärtig für eine Woche Nutzung in einer qualitativ guten Anlage im Zusammenhang mit einem Ein-Schlafzimmer-Appartement zwischen 20.000 Mark und 30.000 Mark. Es wird natürlich teurer bei Mehrbett-Schlafzimmern bis hin zu Penthäusern. Alljährlich fallen weitere, zusätzliche Kosten an: – Betriebs- beziehungsweise Instandhaltungsgebühren, die auch Steigerungsraten unterliegen.– Die jeweiligen Flugkosten tragen die Mitglieder immer selbst.– Timesharing-Anlagen sind meist auf „Wohnungsbasis“ gebaut sowie eingerichtet, und das wiederum schließt die Selbstversorgung mit ein.– Sobald man die oben genannten Tauschpools in Anspruch nimmt, fallen weitere Gebühren in verschiedensten Höhen an – je nach Ziel und Kategorie der angestrebten Anlage. Und dazu kommt auch noch der zu zahlende Jahresbetrag für die Tauschpools allgemein.

Also kein billiges Urlaubsvergnügen, wobei nicht verschwiegen werden soll, dass es tausende zufriedene Timesharing-Mitglieder auch in Europa gibt. In den USA ist es eine anerkannte Urlaubsalternative. Aber die Zufriedenen sind vorrangig Menschen mit sehr hohen Urlaubsansprüchen, die nicht abhängig sind von Inflation, Rezession, eventuell unsicheren Arbeitsplätzen und anderen nicht wegzudiskutierenden Fakten. Über die Jahre kann das System sich sogar amortisieren, aber niemand sollte von Anbeginn alljährlich rechnen müssen.

In Europa ging es ohnehin in den letzten Jahren mehrheitlich um Tagesgeschäfte ohne Widerrufsrecht und das hatte maßgeblichen Anteil am schlechten Image der Branche. Im Feuer der Kritik standen – und stehen insbesondere noch im spanischen Raum – die „Werbung“ potenzieller Kunden auf der Straße mit seltsamsten „Fängermethoden“ wie zum Beispiel Gewinnrubbellosen und der Zwang zur Tagesentscheidung. Nach stundenlanger Präsentation der Timesharing-Ferienanlage hatten die Urlauber hier und heute Ja zum Vertrag zu sagen, und mit der Unterschrift wurde die Anzahlung auch sofort per Kreditkarte abgeführt. Für unsäglich viele derart „eingefangene“, insbesondere deutschsprachige Urlauber begann der Albtraum mit der vermeintlichen Traumentscheidung. Die jährlich anfallenden Kosten waren nicht aufzubringen; die Begleichung der prinzipiellen Kaufsumme führte zu Überschuldung und anderem mehr.

„Eingefangene“ Gäste sind meist verloren

Die Gesetzgeber reagierten: 1994 wurden die entsprechenden EU-Richtlinien verabschiedet, die aber nicht länderübergreifend galten. Mit dem 1. 1. 97 trat das deutsche Gesetz zur Veräußerung von Teilnutzungsrechten in Kraft, welches allerdings die Deutschen im Spanienurlaub nicht schützen konnte, und seit dem 1. 1. 99 ist das spanische Timesharing-Gesetz wirksam, welches aber nicht vollkommen ist, denn: Die Timesharing-Anlagen haben drei Jahre Zeit, sich dem Gesetz „anzugleichen“. Das wiederum lässt viele Unseriöse weiter ohne das geforderte Widerrufsrecht agieren, auch Anzahlungen sind noch üblich.

Trotzdem, die Zügel wurden angezogen, die Aufklärungswelle tat ihr Übriges. Resultat: Die „Einnahmen“ sind nicht mehr die bisher gewohnten. Und damit entstand nun blitzartig insbesondere in Spanien das, was unter dem Namen „Holiday-Packs“ bekannt wie berüchtigt wurde. Der Name sagt es schon, es geht um „Urlaubspakete“, die nicht unter dem Begriff Timesharing von dubiosen Einzelanbietern veräußert werden und die immer unter drei Jahren liegen, denn damit fallen sie nicht unter das spanische Timesharing-Gesetz.

Dem auch auf der Straße „eingefangenen“ Urlauber wird für scheinbar wenig Geld ein „Paket“ angeboten, mit dem er innerhalb von 30, maximal 35 Monaten vier oder sechs Wochen „billige“ Ferien machen kann. Davon eine oder zwei Wochen dort, wo die ahnungslosen Mitmenschen gerade angesprochen wurden und den Rest welt- oder europaweit in „luxuriösen“ Anlagen. In den dazugehörigen, extrem undurchsichtigen Verträgen steht nichts von Timesharing, und die Kosten für dieses „Geschenk des Himmels“ liegen zwischen 4.000 und 6.000 Mark ohne kleingedruckte Vermerke wie: Extra zu begleichende Betriebskosten oder Servicegebühren sind fällig in den Anlagen bei Anreise; Tauschgebühren werden gefordert, und es gibt den Hinweis „Je nach Verfügbarkeit“, denn diese wird nicht nachgewiesen und damit ist nichts gesichert. Widerrufsrecht gibt es nicht. Anzahlung wird prinzipiell genommen. Geltend machen kann der Kunde den Vertrag erst, wenn voll bezahlt wurde.

Der blöde Verbraucher sitzt damit also fest ohne Sicherungsschein, ohne Verbindliches und in der traurigen Gewissheit, dass ihm auch der gewiefteste Anwalt aus einer derartigen Situation nicht heraushelfen kann. Neben Timesharing-Anlagen haben sich außerdem dubiose Einzelanbieter diese Paket-Idee zu eigen gemacht. Deren „Silber- oder Goldpacks“ geben gar Preise von 22.000 und 33.000 Mark an, denn da wird ausschließlich „Luxus“ als Leistung vorgegeben – auf dem Papier. Auf den Kanarischen Inseln warten die „Urlaubspakete“-Anbieter derzeit auf ihre neuen Opfer. Wer immer demnächst dort landet, sollte auch in glückseligster Ferienstimmung nichts unterschreiben ohne Widerrufsrecht und niemals eine Anzahlung leisten.

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